„Karate Kid“ (2010)
„Karate Kid“ (2010) oder Eigenlob statt Völkerverständigung
von Harald Zwart
Ich mag den alten „Karate Kid“, obwohl ich ihn erst relativ spät gesehen habe und ich mag Jackie Chan – wären das nicht gute Voraussetzungen dafür, auch diesen Film zu mögen? Nun ja, wenn sich nicht schon gleich die Frage stellen würde, was der famose Kung Fu-Kämpfer Chan in einem Film mit Karate im Titel tut. Tatsächlich ist es auch Kung Fu, welches er dem Will-Smith-Sohn Jaden beibringt, so dass der Film schon in seinem Titel eine Gleichgültigkeit gegenüber dem an den Tag legt, von dem er zu handeln vorgibt.
Denn „Karate Kid“ handelt mitnichten von dem persönlichen Wachstum eines Einzelnen, der eine fremde Kultur kennen und schätzen lernt, wie es das Original tat. „Karate Kid“ handelt von den Selbstzweifeln der Supermacht USA, die ihre Überlegenheit gegenüber dem wirtschaftlich aufholenden Osten bestätigt sehen möchte. Statt Versöhnung und Verständigung mit einem ehemaligen Kriegsgegner, geht es nun darum, sich einem potentiellen zukünftigen Gegner gegenüber zu beweisen.
„Daniel-san“ war ein 80er Jahre All-American-Boy, der es in seinem Heimatland mit üblen Typen zu tun bekam, die geführt wurden von einem westlichen Kampfsportler, der zwar die Schläge, aber nicht die Moral der Kampfeskunst beherrschte. Dagegen schritt der unauffällige, nette kleine Mr. Miyagi ein, der ihn das wahre Karate lehrte und ihm half, sich zu beweisen.
Dre im Remake hingegen, kommt nach China (die aktuelle Bedrohung amerikanischen Vormachtstrebens) und wird dort von allen Seiten bedrängt. Seine Feinde sind bestens in der Gesellschaft integriert und ihr Meister scheint allgemein anerkannt. Zwar ordnet auch er sich mit Mr. Han einem orientalischen Meister unter, doch hilft er diesem im Gegenzug, über seine eigenen Traumata hinweg zu kommen (indem er ihn, als er einen Zusammenbruch erleidet, zum Training zerrt… was aus irgendwelchen Gründen reicht). Es ist also kein demutsvolles Lernen von einem Überlegenen, sondern ein gegenseitiges Helfen, in dem der Orientale auch den Vertreter des Westens braucht. Um Mr. Han noch weiter vom Sockel zu holen, führt man ihn nicht wie Miyagi als bloßen Exzentriker, sondern als schmutzig ein: Die legendäre Nummer des Fliegenfangens mit Stäbchen wird hier zitiert, läuft jedoch darauf hinaus, dass er die mit Fliegenüberresten besudelten Stäbchen weiterhin zum Essen benutzt, nachdem er sie kurz an seiner Hose abgewischt hat. Dass man das Alter des Helden heruntergesetzt hat (unsauber übrigens – gerade die sehr gezwungen und unglaubwürdige Liebeshandlung scheint für eine ältere Figur geschrieben zu sein), führt zudem dazu, dass die Szene, in welcher der Meister seine Kampfkunst demonstriert, ihn nur gegen eine Horde Kinder antreten lässt. Ja, eine ganze Menge psychotischer Martial Arts-Kinder, aber dennoch Kinder. Trotz dramatischer Zeitlupe ist da einfach wenig Ruhm bei zu ernten.
All dies macht Han und China kleiner und den jungen Dre größer. Entsprechend führt er am Ende das Turnier auch nicht gegen seinesgleichen, sondern gegen Chinesen, schlägt also die, von denen Kung Fu kommt. Amerika schlägt den Osten auf dessen eigenem Gebiet in dessen eigenem Sport, den unser Held gerade erst gelernt hat.
Doch auch abgesehen von seiner peinlichen Intention, scheitert der Film furchtbar. Kung Fu ist zweifellos spektakulärer als Karate, aber durch die Salti und „Matrix“-Moves seines Helden, verliert der Film jede Glaubwürdigkeit. Die erwähnte Liebeshandlung kommt aus dem Nichts und wird äußerst lustlos gepflegt (der chinesische Vater verbietet seiner Tochter erst den Umgang mit Dre, da dieser sie vom Lernen für eine Musikaufnahmeprüfung abhält, ändert seine Meinung aber grundlos und was aus der Prüfung wird, erfahren wir nicht), Dres Mutter ist eine überzogene Comicfigur, die kindlicher erscheint, als ihr gruselig pseudoerwachsenes Kind und zudem von einer Fahrlässigkeit, Unverantwortlichkeit und einem Egoismus, der vollkommen unverständlich macht, warum ihr Sohn Respekt vor ihr lernen soll. Es gibt zuweilen ein wenig culture clash-Humor, doch der ist gezwungen und unkomisch. Na gut, die bunten Aufnahmen Chinas sind hübsch (nachdem Han nämlich erklärt hat, Kung Fu sei überall, müssen heilige Orte besucht werden an denen es wohl noch mehr ist, als sonst) und alles, was am Original käsig war (wie die völlig überzogenen Schurken) wurde übernommen und gerne noch verstärkt.
Es zeigt sich deutlich, wie egal allen Beteiligten die Qualität des Films an sich war, da es nur galt, Amerikas Selbstbewusstsein zu streicheln und Jaden Smith ein Star-Vehikel zu liefern, auf dass er in die Fußstapfen seines maßlos überschätzen Vaters treten kann.
(Dirk M. Jürgens)
Gregor
16. Juli 2012 @ 13:39
Wobei das Original auch etwas heikel ist mit seinen Östliche-Philosophie-Klischees.
„Es ist also kein demutsvolles Lernen von einem Überlegenen, sondern ein gegenseitiges Helfen, in dem der Orientale auch den Vertreter des Westens braucht.“
Was ich ehrlich gesagt der chinesischen Kultur gegenüber weniger herablassend finde. Gegenseitiges Lernen statt einseitiges Lehren? Der Meister nicht als überhöhtes Weiser-Asiate-Stereotyp, sondern als richtiger Mensch? Der zudem Kinder verprügelt? Topp!
„Amerika schlägt den Osten auf dessen eigenem Gebiet in dessen eigenem Sport, den unser Held gerade erst gelernt hat.“
Okay, das ist schon weniger schön.
Dirk M. Jürgens
16. Juli 2012 @ 15:57
Natürlich ist das Original auch eine ziemliche Klischee-Bombe in Sachen Fernost-Geschmalze. Das will ich gar nicht leugnen und würde man den Film an sich analysieren, sollte man auch das betonen.
Aber mir geht es hier gerade um den Unterschied, inwiefern man das Konzept verändert hat – an sich mag ich ja gleichberechtigte Zusammenarbeiten auch lieber, als Schüler-Meister-Verhältnisse, aber gerade hier passte es eben ins Gesamtbild.
Als herablassend würde ich den Film auch sonst nicht bezeichnen, nur wo eben das Original respektvolles Lernen von einer fremden Kultur propagierte, propagiert dieser die Überlegenheit der eigenen.
Optimubra
16. Juli 2012 @ 21:08
Das is‘ ein Kinderfilm, der wurde als Kinderfilm vermarket und auch darauf getrimmt und bei so etwas … Stichwort: „No Brainer“, kann ich auch beim besten Willen keine finstere Botschaft erkennen.
Aber Scheiße ist der Film auch so.
Gregor
16. Juli 2012 @ 21:28
Naja. Bis ich den Film gesehen habe, lasse ich das mal so stehen.