9 Comments

  1. Udo
    10. Juli 2014 @ 14:21

    Na dann wollen wir doch einmal alles richtig stellen, was der Dirk so „vergessen“ hat.

    „Ein weiteres Puzzleteil liefert eine Szene, in welcher Driss andere väterliche Aufgaben übernimmt. So egal sie als Figur auch ist, bietet die Tochter ihm Gelegenheit zu glänzen, als ihr Freund sie verlässt. Da ja männliche Wesen bekanntlich kein Recht haben, eine Beziehung zu beenden, fängt Driss ihn nach der Schule ab und bedroht den weichlichen, langhaarigen Brillenträger. Er zwingt das unmännliche Nichts zur Erniedrigung und Knechtschaft im Dienste der Ex, der er künftig täglich Frühstück zu bringen hat – wobei er sich natürlich die Gaudi nicht nehmen lässt, ihn auch dabei etwas zu erschrecken, um ihn an seine Ketten zu gemahnen.“

    In der Szene geht es nicht darum, dass deren Freund mit der Tochter Schluss gemacht hat. Es geht darum, dass dieser die Tochter dabei erniedrigt und sie eine Schlampe genannt hat. Das wollte Driss so nicht stehen lassen und da Philippe so sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war, wollte er die Sache selbst in die Hand nehmen. Über die Art wie er das gemacht hat, kann man sicher diskutieren, aber als Knechtschaft, so wie du sie schilderst, hat das der Film in meinen Augen nicht gezeigt.

    „Beim ersten geplanten Date bekommt Philippe nicht nur steife, sondern auch kalte Füße und lässt sie sitzen. Auch das in direkter Nachbarschaft zur Unterwerfung seines Schwiegersohns, hier aber natürlich kein moralisches Problem. Schließlich ist die Brieffreundin auch bisher gesichtslose Unperson und er ja zumindest monetär ebenfalls ein Alpha-Männchen und damit über den Gesetzen der Schwachen stehend.“

    Erstens: Schwiegersohn?? Die zwei gehen noch zur Schule, also lass‘ die Kirche mal im Dorf.
    Zweitens: Philippe hatte einfach riesige Angst davor, wie die Frau reagieren würde, wenn er tatsächlich im Rollstuhl vor ihr sitzt. Der war da ALLES ANDERE als ein Alphamännchen und vor allem hatte die Szene nichts damit zu tun, dass Philippe sich über irgendjemanden stellen wollte, sondern einfach darum, dass hier seine Angst das Ruder übernommen hat. Und was tun wir, wenn das bei uns so ist? Wir handeln irrational. Das hat aber nichts mit Egoismus zu tun.

    „Ebenso wird dann auch das glückliche Ende erzwungen: Unsere Helden sitzen in einem Restaurant und Driss hat einfach die Frau (die ohne eigenen Willen offenbar immer abrufbereit ist) dazu bestellt. Was Phillippe davon hält, kümmert ihn nicht – der ist ein Krüppel, kann seinen Willen nicht durchsetzen, dann kann er auch nicht beachtlich sein.“

    Das wäre dann, bitte sei mir nicht böse, der Punkt, an dem ich mich Frage, ob du mit Absicht alles verstehen willst in dem Film. Erstens: Was heißt hier „ohne eigenen Willen immer abrufbereit ist“? Es gab genau zwei Treffen, von denen das erste nicht geklappt hat. „Ohne eigenen Willen immer abrufbereit“ stelle ich mir anders vor.
    Punkt zwei: Philippe hat sehr wohl einen eigenen Willen, nur geht es hier nicht darum, dass Driss diesen Willen ignoriert. Es geht darum, dass Driss Philippe helfen will, wieder zurück ins Leben zu finden und deshalb eröffnet er ihm diese Möglichkeit. Ja, er gibt ihm einen kleinen Schubser, aber ob Philippe diese Chance ergreifen will, entscheidet er immer noch selbst.
    Übrigens finde ich es interessant, dass du in dem Zusammenhang die Paragliding-Szene nicht erwähnst. Oder passt dir eine Episode, in der Philippe seinen Willen durchsetzt und Driss, obwohl es ihm höchst unangenehm ist, mitmacht, gerade nicht in dein Konzept? Und falls du jetzt damit anfangen möchtest, dass hier eben Philippe auf Driss geschissen hat: Nein, hat er nicht. Echte Freunde tun so etwas füreinander und geben deshalb auch Sachen eine Chance, von der sie vorher nie geglaubt hätten, dass sie das tun würden. Was in meinen Augen mitunter auch ein Grund dafür ist, dass Philippe dem Date doch noch eine Chance gegeben hat.

    Ich lese deine Analysen sonst sehr gerne, aber hier liegst du meiner Meinung nach ziemlich weit daneben.

  2. Dirk M. Jürgens
    10. Juli 2014 @ 14:56

    „Es geht darum, dass dieser die Tochter dabei erniedrigt und sie eine Schlampe genannt hat.“
    Weitere Erniedrigungen oder Details wissen wir nicht. Wir haben nur das Wort der Tochter (die uns sonst ständig als unsympathisch, grob und damit eher wenig vertrauenswürdig präsentiert wurde), dass er sie so bzeichnet habe. Das ist wenig Kontext, um davon zu gewaltsamen Maßnahmen zu greifen. Hier hat man eben die Umstände so gestaltet, dass der Zuschauer nicht hinterfragt: Wie man früher im Süden der USA nur andeuten musste, irgendein Schwarzer habe irgendeine Weiße vergewaltigt, um gleich ein paar Lynchmorde zu veranlassen.

    “ Das wollte Driss so nicht stehen lassen“
    Schließlich weiß er, dass ihr eine zu kleben, wie er es kurz zuvor gefordert hatte, die richtige Antwort gewesen wäre. Auch hier beachtlich der Zusammenhang: Er ist nicht die überfürsorgliche Vaterfigur, der bei Bedrohung seiner Prinzessin schnell mal die Drähte durchglühen (gerade in der Szene lacht er sich über ihren untauglichen Selbstmordversuch kaputt), sondern jemand, der weiß, was für eine Unsympathin sie ist und bereits härtere Maßnahmen als eine solche Titulierung gegen sie forderte. Doch das ist das, was ER darf…

    „wollte er die Sache selbst in die Hand nehmen“
    Wie die aufrechten Südstaatler in meinem obigen Vergleich. Dass Recht und Ordnung oder auch nur Wahrheit keine Punkte sind, die Driss (und den, mit ihm sympathisierenden) Zuschauer kümmern, passt in das egoistische Gesamtbild: Der Starke muss sich nicht um die Werte der schwachen Welt kümmern.

    „Schwiegersohn“ diente jetzt nur als griffige Kurzform, da ich den Namen des Typen nicht hatte, aber das war auch nie der Punkt. Mir geht es darum, dass (wie in der Opernszene und dem Eindringen der Tochter in Driss‘ Räume) an zwei Figuren ein ähnliches Verhalten gezeigt, aber verschieden gewertet wird.
    – Der eine ist nicht für eine Frau da (Gründe kümmern uns nicht, er ist keine Hauptfigur) und muss entsprechend unterworfen und gedemütigt werden. Der andere ebenso… na ja, sehen wir es ihm nach. Schließlich ist er behindert und die kann man nicht wie normale Menschen… oh halt! Unsere Botschaft war ja eigentlich das komplette Gegenteil… Egal, merkt schon keiner, denn wer hinterfragt schon die Führung?

    „“Ohne eigenen Willen immer abrufbereit” stelle ich mir anders vor.“
    Auch hier natürlich eine sarkastische Überspitzung. Wir wissen natürlich die Umstände ihrer erneuten Kontaktierung nicht, aber ihre Seite wird halt komplett ignoriert. Sie ist bloße Funktion. Nebenbei: an Phillippes Bartwuchs sehen wir, dass ordentlich Zeit vergangen ist. Dass sie also noch immer gerade in der Stadt ist, ist zumindest nicht selbstverständlich.

    „Ja, er gibt ihm einen kleinen Schubser“
    Er ruft die Frau eigenmächtig an, er arrangiert das Treffen im Restaurant. Phillippe ist vor Ort, als sie eintrifft, könnte also nur noch versuchen, verzweifelt blasend wegzurollen, wenn er das ihm aufgezwungene Treffen nicht wollte. Nicht wirklich eine Möglichkeit, scheint mir.

    „Übrigens finde ich es interessant, dass du in dem Zusammenhang die Paragliding-Szene nicht erwähnst.“
    Stimmt, die hatte ich komplett vergessen, da ich mir meine Notizen erst nach dem Film machte, aber sie fiel mir auch schon auf: Auch da wird wieder jemanden der Wille aufgezwungen. Wie gesagt: Ein Teil der Botschaft ist die Gleichheit der so verschiedenen Protagonisten – einer Alpha, da stark, der andere, da reich. Wenn Phillipe nicht diese, hier vorgeführte Macht hätte, wäre sein Wohlergehen ja uninteressant, denn dann wäre er einer der kleinen, für die Knute bestimmten Menschen, wie der Ex-Freund und jetzige Sklave seiner Tochter.

    • Sebastian Kempke
      13. Juli 2014 @ 16:12

      Erstaunlicherweise habe ich weder vor während oder nach dem Film (den ich vor etwas ’nem Jahr gesehen habe), auch nur ansatzweise etwas ähnliches wahrgenommen. Bemerkenswert! Ich glaube da muß ich Udo beipflichten 😀

      • Dirk M. Jürgens
        13. Juli 2014 @ 16:53

        Dann sieh ihn dir nochmal an und achte auf die beanstandeten Szenen. Wie gesagt – der Film ist nicht schlecht oder dumm, er jubelt es einem schon heimlich und geschickt unter. 😉

  3. Udo
    17. Juli 2014 @ 14:03

    Sorry, aber du bist mit deiner Argumentation so neben der Spur, dass ich gar nicht weiß, wo ich da einsteigen soll. Kann es sein, dass du unbedingt irgendwo etwas finden wolltest und du deshalb hier ein komplett verzerrtes Gesamtbild des Filmes präsentierst?
    Dass du ständig darauf herumreitest, dass Driss sagte, dass der Tochter der Hintern versohlt werden soll, ist da ein gutes Beispiel: Hast du noch nie sowas gesagt wie „Den oder den würde ich am liebsten umbringen!“ und es (hoffentlich) nicht ernst gemeint? Das ist doch dasselbe.

  4. Dirk M. Jürgens
    17. Juli 2014 @ 14:31

    Ehrlich gesagt ging ich wirklich optimistisch an den Film heran – alle Welt hatte ihn gelobt, darunter auch viele Leute, auf deren Meinung ich etwas gebe. Ich ging nich davon aus, er werde mich umhauen, erwartete aber einen netten, unaufgeregten und unterhaltsamen Film. Tat ich auch, nur eben drängte sich mir da ein sehr unschöner ideologischer Zug auf.

    Dass Driss ihr so direkt eine kleben wollte, wie er es verlangt, nehme ich auch nicht an (sonst, so stehen die Chancen gut, hätte er es wohl einfach getan). Aber er ist eine Filmfigur, was er sagt ist also kein reiner Zufall und kommt nicht aus dem Augenblick. Und wenn er da eine aufs Maul für sie fordert, jemand anderen, der ihre näher steht und sie besser kennt, in ihm unbekanntem Kontext nicht zubilligt, sie Schlampe zu nennen dann ist das schon ein auffälliger Kontrast. Hätte es ein paar Szenen gegeben, in denen die beiden freundlich miteinander interagieren, hätte ich zumindest anerkannt, woher eine Sorge für sie käme, aber im Anschluss daran, über ihr Leid (und, wenn auch untauglichen, doch immerhin Selbstmordversuch) zu lachen und DANN loszuziehen, jemanden zu unterdrücken, den er von Anfang an unprovoziert nicht mochte, zeigt keine Spuren von Fürsorge oder Mitgefühl. Da kommt einfach Status- und Clandenken durch, nach dem selbst das niederste Mitglied gegen ANDERSARTIGE verteidigt werden muss, ungeachtet von Recht oder Unrecht.

  5. Udo
    17. Juli 2014 @ 14:51

    „Aber er ist eine Filmfigur, was er sagt ist also kein reiner Zufall und kommt nicht aus dem Augenblick.“

    Wieso sollte eine Filmfigur nicht „aus dem Augenblick“ heraus interagieren können? Wenn in einem Film eine Überraschungsparty für eine Figur geschmissen wird, dann hast du doch auch nichts dagegen, wenn diese Figur aus dem Augenblick heraus überrascht ist, oder?

    „in ihm unbekanntem Kontext“

    Auch wenn er die Tochter nicht gut kennt – dass sie nicht mit der halben Stadt herumvögelt, dürfte er zu dem Zeitpunkt schon mitbekommen haben. Dass ihr Ex sie eine Schlampe genannt hat, um sie zu erniedrigen, erschließt sich übrigens auch ohne Kontext. Driss‘ Reaktion hat mit Clandenken gar nichts zu tun.

    Eines noch zu deiner vorherigen Antwort:
    „Er ruft die Frau eigenmächtig an, er arrangiert das Treffen im Restaurant. Phillippe ist vor Ort, als sie eintrifft, könnte also nur noch versuchen, verzweifelt blasend wegzurollen, wenn er das ihm aufgezwungene Treffen nicht wollte. Nicht wirklich eine Möglichkeit, scheint mir.“

    Ihr höflich zu sagen, dass er das Treffen nicht wollte, oder es hinter sich zu bringen und danach den Kontakt abzubrechen (oder als Brieffreundschaft weiter zu führen) wäre demnach keine Alternative?

    Ich denke, bei der Bewertung dieses Filmes kommen wir nicht zusammen. 😉

  6. Udo
    17. Juli 2014 @ 15:06

    @Sebastian: Wo kann ich auf „Like“ klicken? 😉

  7. Dirk M. Jürgens
    17. Juli 2014 @ 19:37

    Eine Filmfigur in einem nicht improvisierten Film (solche gibt es natürlich zuweilen auch) handelt nach einem Drehbuch. Sie ist schlagfertig, weil der Autor ihre Dialoge in Ruhe hat schreiben können, ihre Monologe sind sauber aufgebaut, weil der Autor Zeit hatte, sie zu überarbeiten. Film ist eine zeichenhafte Kunstwelt, in der zwar durchaus zuweilen noch immer Zufälle geschehen können, nicht aber auf einer grundlegenden Dialogebene.
    Eine Filmfigur ist immer eine Kunstfigur – selbst wenn ihr etwas „rausrutscht“, dann SOLLTE es ihr rausrutschen. Entsprechend haftbar ist der Film auch für sie.

    Aber die Stelle ist jetzt tatsächlich nicht mein großer, zentraler Punkt, sondern nur eine schöne Spitze, die ich gern gegen Driss abschieße.

    Es bleibt dabei, dass weder er noch wir die Situation kannten, in welcher der Ex die Tochter Schlampe genannt hat bzw. genannt haben soll. Wir wissen nur, dass es von einer unfreundlichen, aggressiven, selbstsüchtigen und damit nur begrenzt glaubwürdigen Quelle genannt wurde. Nun weiß ich nicht, was der Begriff im Original war, aber „Schlampe“ ist zumindest im Deutschen recht von recht breiter Bedeutung, muss sich also nicht auf Promiskuität beziehen. – Wobei ich auch nicht sagen könnte, inwiefern Driss ihr Beischlafverhalten beurteilen kann. Er ist der Assistent ihres Vaters, also in der Regel in dessen Nähe und das ist nicht gerade der Ort, an dem sie, so sie es tun sollte, rumvögeln würde.
    Ich erinnere auch an seinen, vom Film nirgendwo begründeten Unwillen, als er das junge Paar zuerst bemerkte. Das in Verbindung mit seiner, einzig destruktiv wirkenden Schutzfunktion ergibt für mich nun einmal das eher unangenehme Bild eines repressiven Patriarchen.

    Und natürlich ist Phillippe beim Treffen nicht VÖLLIG ausgeliefert (er hätte auch die Chance, die bestellte Dame nach dem Versetzen jetzt gleich wieder abzuwimmeln, was auch nicht die netteste Art gewesen wäre), aber es bleibt dabei, dass ihm die Fäden hier aus der Hand genommen wurden und das das Mittel ist, mit dem der Film zum Glück führt.

    Zusammenkommen müssen wir in der Sache ja nicht. Ich sage ja auch nicht, dass niemand den Film mögen oder genießen darf – ich selbst amüsiere mich ja auch mit Fitkionen, die nicht meiner eigentlichen Moral entsprechen. Nur eben weise ich darauf hin, was für Probleme sie bieten.
    Und selbst wenn man da all den Rest ignoriert, sollte man mit der Unterdrückung des Freundes ein Problem haben. Humor kann, wie so oft beschworen wird, dem Schwachen ein Mittel gegen den Starken sein. Hier wird er aber dazu angewendet, den Schwachen vom Starken (legitimiert durch Vorurteile) erniedrigen zu lassen und darauf komme ich recht schlecht klar.

    Und der Like-Button für Sebs Posting befindet sich gleich im nächsten Küchenmixer. 😉