Götz von Berlichingen oder Der Film zum Zitat
„Götz von Berlichingen“ (2014) von Carlo Rola
Bei Goethe wird Götz deshalb von den Menschen bewundert, weil er zwar ein Raubritter ist, aber auch ein Ehrenmann. Weil er bedingungslos zu seinem Wort steht und für seine Ideale kämpft. Bei RTL bewundert man ihn ob seiner mächtigen Roboterhand. Also eines bloßen äußerlichen Gimmicks wegen, vergleichbar mit einem neuen, besonders gewagten Outfit eines Popstars.
– Damit hätten wir den Unterschied zwischen dem Dichterfürst und dem Sender vielleicht so simpel aufgezeigt, wie nur irgendwie möglich.
Betont sei der positivste Punkt des Filmes: Henning Baum ist ein perfekter Götz. Mit langem Haar, Bart und Narben wirkt er glaubwürdig mittelalterlich und seine polterige Art passt zum rauen Raubritter mit Herz, der ein letztes Relikt einer vergangenen Epoche ist. Dass er in seiner Serie „Der letzte Bulle“ ein ähnliches Relikt spielt, deutet dabei allerdings auf einen bizarr speziellen Fall von Typecasting hin, der hier zufällig zum Erfolg führte.
Dem so ziemlich einzigen gelungenen Element des Films, wohlgemerkt.
Inhaltlich hat RTL wieder einmal bewiesen, dass es jeden noch so eigenen Stoff in das ewig gleiche Korsett aus Klischees zwängen kann. So verpasste man dem Berlichinger ein buntes Team aus markanten Mitstreitern: Eine toughe Voodoo-Hexe, einen muskulösen Irokesenschnittträger, einen pfiffigen Erfinder und einen rappenden Hund. Ja, letzteres ist gelogen, hätte aber wenig Unterschied gemacht.
Leute, die Parteiprogramme freier Kunst vorziehen, beklagen ja schon bei „Game of Thrones“ (an das man sich in Sachen Blut und Nacktheit wohl anlehnt) den Mangel unterschiedlicher Hautfarben. Darum geht man auf Nummer sicher und lässt im Deutschland des Mittelalters eine dunkelhäutige Heilerin und Seherin (und Freundin des Regisseurs) als dauerunhöfliches Starke-Frau-Klischee mitmischen, deren Frisur mir zwar gefiel, deren alberner und dem hiesigen Klima unangemessener Lederbikini aber viel über die wahren Motive der Verwantwortlichen aussagte. Nebenbei stutzte ich erst, als diese Figur bei der Nennung Martin Luthers große Augen machte, aber dann ging es mir auf: Vermutlich wussten die Autoren nicht, dass dieser und sein Namensvetter mit „King“ hinten dran zwei verschiedene Personen waren.
Während der Film pflichtbewusst die Mittelalter-, als auch Schmonzetten-Checkliste abhakt, versagt er aber bei der Inszenierung simpler Schauderszenen wie der damaligen Medizin, Massenhinrichtungen und Hexenfolter ziemlich, da man das simple Handwerk nicht beherrscht. Szenen beginnen und enden willkürlich und wer was wann wie wo will bleibt gern mal offen. Das bekannte Götz-Zitat wird als Catchphrase eines Sidekicks ausgewalzt, in der Szene, in welcher der Held es sagt aber zugunsten eines Gags verhunzt, der vernünftig aufbereitet was hätte werden können. Aber vernünftig aufbereitet wird hier grundsätzlich nichts.
Schließe ich also für alle, die das gleichnamige Goethe-Drama damals in der Schule nicht gelesen haben mit dem Fun Fact, dass dort die Schurkin Adelheid vom unangekündigt auftauchenden Batman gekillt wird. – Da sein Tötungsverbot ja erst im Silver Age aufkam, in sich stimmig, aber doch ein Zeichen, dass auch der Dichterfürst mal dramaturgisch schwache Tage haben konnte.