„American Pie“ oder Die Komödie der Schlüpfrigkeiten
Dies ist kein Review. Nicht einmal ein wirklich argumentativ aufgebauter Artikel, vielmehr nur eine Stoffsammlung von Dingen, die mir bei der Betrachtung des vierten „American Pie“-Films („Das Klassentreffen“) durch den Kopf gingen.
„American Pie“ und ich
Die Reihe wird oft als Speerspitze pubertären Humors benannt und da sich ihr Titel aus einer Szene ergibt, in welcher der Held seinen Penis in einen Apfelkuchen steckt, ist es etwas schwer, da zu widersprechen. Dennoch gestehe ich, eine gewisse Zuneigung zu ihrem ersten Teil zu haben. Viel davon wird mit dem Zeitpunkt seines Erscheinens zusammenhängen, bei dem ich ungefähr das Alter seiner Protagonisten hatte und es ist wohl bezeichnend, dass ich ihn seitdem niemals wieder gesehen habe, aber ich erinnere mich daran, damals doch eine gewisse Rührung verspürt zu haben. Keine tiefgehende, aber eben doch ein vages Mitfühlen mit seinen Protagonisten.
In den Sequels ließ das bald nach und der Humor wurde immer plumper und stilloser (bzw. von mir so erkannt), aber trotz all dem, was mich beim Sehen von „American Reunion“ störte, konnte ich vereinzelte kurze Anflüge des alten Gefühls nicht leugnen. – Das hatte vermutlich weniger mit dem Film selbst zu tun, als der Erinnerung, wie erstaunlich lange der Kinobesuch des Erstlings her ist und wieviel Zeit seitdem vergangen ist. Und, wie präsent das Problem sexueller Unterversorgung noch immer ist, füge ich übertrieben ehrlich hinzu.
Koitus und Comedy
Nun gut – bevor ich aber mit dem Gewehr auf den Glockenturm steige, lassen wir das Thema „Verdammt, wo ist mein Leben?“ und wenden uns allgemein dem Thema der anzüglichen Komödie zu.
In Kevin Smiths „Dogma“ wird Sex als ein Beleg von Gottes Sinn für Humor bezeichnet, aber ich frage mich, wie tauglich er in unseren Gefilden der Sterblichen ist. Sicher, es gibt jede Menge gute versaute Witze, aber mir drängt sich das Gefühl auf, dass das Medium Film, welches ja einen größeren erzählerischen Bogen verlangt, als ein kurzer, am Kaffeeautomat gemachter Scherz, damit oftmals Probleme hat. Beziehungsweise, vor allem ein Problem: Der Irrtum, Sex könne Humor ersetzen.
Ich stütze meine These mit einem nahezu frevelhaft erscheinenden Beispiel, indem ich auf die erfolgreiche Monty-Python-Reunion im letzten Jahr verweise. Keine Frage, Monty Python gehören zu den größten und besten Humoristen unserer Zeit und damals, als sie anfingen waren auch ihre schlüpfrigen Witze revolutionär und entsprechend durch ihren Tabubruch bedeutsam. Aber nachdem die sexuelle Revolution gewonnen wurde und Zotigkeit es in den Mainstream geschafft hatte, wirken Richter in Damenreizwäsche eher gestrig. Gestrig, und, was schlimmer ist, verklemmt.
Betrachtet man nicht humoristische Großmeister wie die Pythons, sondern kleinere Komödien neueren Datums, fällt auf, wieviel zotiger Humor gerade eben nicht aus sexueller Freiheit, sondern konservativer Scheu dieser gegenüber besteht. Ein immer und immer wiederkehrender Witz in solchen Streifen ist, dass eine weibliche Figur sexuell erfahrener ist, als man gedacht hatte. Sie wirkt harmlos und unschuldig, hat es aber schon mit ganzen Olympiamannschaften in jeder nur denkbaren Praktik getrieben… der hier als Witz verstandene Tabubruch funktioniert in der Regel nur durch die altertümliche Vorstellung der Frau ohne Sexualtrieb. Bei Männern hingegen – deren Trieb ja allgemein als existent anerkannt ist – läuft es vor allem darüber, diesen lächerlich zu machen. Der Mann ist dauergeil und unfähig, sein Verlangen zu befriedigen, also macht er sich zum Affen, tut Dinge, die albern und eklig sind (wie etwa eben, einen Apfelkuchen zu penetrieren) und muss dafür harte Verletzungen und schwer Demütigungen einstecken. Im Grunde genommen wird also auch hier der Sexualtrieb als Makel betrachtet und der Mann dafür beschämt ihn zu haben. Die Details sind anders, aber der Fall liegt ähnlich, wie beim weiblichen Gegenstück.
Ja, zuweilen ist es amüsant, wozu die Geilheit oder generell das Verlangen Leute treibt, aber die scheinheilige Doppelmoral, mit welcher die Lust der Zuschauer auf Anzüglichkeiten befriedigt wird, während der Film eben solche Lüste verspottet, bleibt unsympathisch.
Komödiantischer Konservativismus
Weniges ist so gestrig, wie heute die Konflikte der Vergangenheit auszutragen. Was früher subversiv war, ist heute harmlos und wer das leugnet, zeigt nur seinen eigenen geistigen Stillstand. Wenn Graham Chapman in den 70ern erklärt, seine Hobbys seien Tiere erwürgen, Golf und Masturbation, zündete das, weil es etwas war, was nicht gesagt werden durfte. Wenn es in „American Pie 4“ als Gag gilt, dass Alyson Hannigan onaniert (obwohl sie doch eine Frau ist!!!), ist das bieder. Der Monty Python-Gag griff damals die Verhältnisse an, der „American Pie“-Gag zementiert sie.
Diesem unangenehmen Ton hinzufügen möchte ich, dass es hier gleich zwei Stellen gibt, an denen männliche Figuren von weiblichen sexuell bedrängt werden und diese ihr ausdrückliches und mit Abwehrgesten unterstrichenes „Nein“ nicht zur Kenntnis nehmen. Und tatsächlich gibt es für beide Opfer dieser rein als komisch verstandenen, nie problematisierten versuchten Vergewaltigungen später Szenen, in denen sie sich noch entschuldigen. Einmal bei der Freundin, von einer Dritten fast vergewaltigt worden zu sein, einmal bei der Täterin selbst dafür, seine Ablehnung doch recht unhöflich kundgetan zu haben. Höchst unangenehm.
Man verstehe mich übrigens nicht falsch: Wer mein Comicschaffen kennt, weiß, dass ich Vergewaltigung keineswegs für ein Thema halte, über das man keine Witze machen dürfe. Nur kommt es dann auf die Stoßrichtung an (mh… da verbirgt sich jetzt selbst ein schöner Rape-Joke hinter). Wenn es, wie etwa bei „South Park“ als Schock-Humor eingesetzt wird, stört es mich nicht. Denn dann ist es zwar (bewusst) geschmacklos, aber gerade damit unterstreicht es die Falschheit dessen, was geschieht. Hier aber (und in erschreckend vielen anderen Komödien) ist es als harmlose Witz verstanden, der auf Konservativismus fußt: Der Mann ist starker Macher, die Frau schwaches Ding (übrigens mit auch nur wenig Pointen); er hat kein Recht auf Rücksicht, sie auf Aktivität. Aus dieser Perspektive kann man es als absurd und entsprechend witzig empfinden, dass eine Frau sexuell aktiv, und ein Mann Opfer sein kann. Ja, auch hier denke ich wieder grimmig an „Danni Lowinski“.
Vom Nutzen des Witzes
Eine löbliche Funktion des Humors ist es, die Dinge von einer neuen Perspektive zu betrachten. Den Blick zu öffnen und Neues zu ermöglichen. Er hat das Potential für Subversion und die Anregung von kritischem Denken. Gerade darum stört es mich enorm, wenn er für das Gegenteil benutzt wird. Wenn er Weltbilder verfestigt und Abweichungen verhöhnt. Das Problem haben nun Unmengen an Komödien verschiedenster Art und nicht nur solche, die auf Anzüglichkeiten setzen, doch in diesen fällt es mir immer am meisten auf, da dort das Auseinanderklaffen von Anspruch (=Gewagtheit) und Wirklichkeit (=verschämtes Kichern) besonders ins Auge springt.
Nun bin ich wirklich erstaunlich preachy geworden und mit dem Thema „American Pie“ haben meine Ausführungen inzwischen kaum noch was zu tun. Aber ich warnte ja gleich – dies ist nur eine Gedankensammlung, kein offizielles Manifest und erst recht kein Review.