Indiereview: Bountilus #1 von Andi Papelitzky
Moin zusammen,
eigentlich habe ich mir ja vor ein paar Jahren fest vorgenommen, keine Reviews mehr zu schreiben, aber wie es eben so kommt: Manchmal wird man herausgefordert und dann bricht man doch mit den altbekannten Vorsätzen. Warum ist es so kompliziert, Rezensionen zu anderen Indie-Comics zu machen? Ganz einfach: wenn man selbst Indie-Comicmacher ist, dann möchte man sich gegenseitig konstruktiv motivieren und sich nicht gegenseitig in Grund und Boden rezensieren. Obwohl: Nur konstruktive aber ernst gemeinte Kritik kann der Szene einen evolutionären Kick geben. Und den braucht ja auch jeder Künstler, sei er nun Autor oder Zeichner, um sich aus der Ursuppe seines eigenen Schaffens zu erheben und sich neuen Maßstäben zu stellen.
Comic-Kollege Andi Papelitzky (danke für das Heft!) legt mit „Bountilus – die Abenteuer von Captain Nihil und Lieutenant Quattro – Episode 1“ ein schick produziertes Heft vor, das inhaltlich noch ein wenig auf Impulskraft fliegt, aber durchaus das Potential besitzt, mit seiner Besatzung viele weitere Abenteuer zu meistern.
Die Story: Nihil und Quattro sind mit ihrem Weltraumtaxi auf dem Weg zur Erde, um einem mysteriösen Funkspruch folgend zahlende Kundschaft aufzugabeln. Allerdings entpuppt sich schon die Ankunft im Orbit des blauen Planeten als reichlich holprig und abenteuerlich. Hier unterbricht Papelitzky seine Geschichte, sinniert über sein Comicschaffen und entlässt die Leser dann in die Vorgeschichte, in der erzählt wird, wie sich seine Hauptfiguren kennengelernt haben.
Das Lob: Voller Elan und beinahe naivem Erzählwitz stellt uns Papelitzky seine Figuren vor und macht Lust auf mehr. Da das erste Heft recht kurz ist und die Figuren kaum Zeit haben, Abenteuer zu erleben, bleibt vor allem viel quirliges Potential, von dem hier nicht alles optimal ausgenutzt wird.
Die Kritik: Comics sind das Kino des kleinen Mannes. Hier ist alles möglich und alles machbar und Grenzen sind nur durch das Handwerk des Künstlers und die Fantasie des Autoren gesetzt. Auf dem Buchrücken werden zahlreiche Abenteuer angedeutet, fremde Welten, skurrile Gestalten. Das gerade all das in diesem Band nicht finden ist, in einem Medium in dem eben alles möglich ist, ist ein bisschen enttäuschend.
Auf den ersten Seiten des Bandes begegnen wir den Hauptfiguren“in medias res“, Gefahr und Action, dann werden wir aber direkt mit einem Cliffhanger abgespeist. Der Künstler selbst ergreift das Wort, erklärt dass er die Freiheiten genießt, ohne Texter machen zu können, was er möchte und improvisiert dann spielerisch mit Inhalt und Panelform. Auf der gleichen Seite erklärt der Künstler, dass er weiß, wie es weitergeht, er aber nicht weiß wie er weitermachen soll.(?) Und was wie ein Witz klingt, um mit unseren Erwartungen an altbekannte Genres und Plots zu spielen und diese zu brechen, bleibt aber auch an ganz klar die Schwachstelle dieses Serienauftaktes: Die Handlung bleibt zu diffus.
Wir haben zwei Hauptfiguren, aber sie scheinen in diesem Kosmos ganz alleine zu existieren. Abgesehen von recht abstrakten und aus der Ferne beobachteten Artgenossen des vierarmigen Tintenfisches gibt es kaum ein anderes Lebewesen, das uns als Beweis dienen könnte, dass hier wirklich ein lebender Kosmos vorliegt und nicht nur zwei ungleiche Kameraden, die auf ewig durch die Leere des Alls streifen. Und nun kommt dabei noch erschwerend hinzu, dass der Quattro sich (wohl aus Verpflichtung gegenüber seinem Lebensretter) Nihil optisch sehr anpasst. Eine schöne Idee: gleicher Schnauzbart, Wangenknochen, Mimikri durch Emotion. Zwei ungleiche Figuren die visuell nach Gleichheit streben. Im Angesicht außerirdischer Artenvielfalt sicher ein tolles Konzept, in einem Comic, der aber nur zwei Figuren vorzuweisen hat, wirkt das fast beklemmend.
Bountilus – ein Portemanteau aus zwei großen Schiffen der Abenteuerliteratur, der Bounty und der Nautilus, ist ein Titel, der Abenteuer verheißt. Nihil als Anspielung an Nemo, verweist ebenfalls auf Jules Vernes legendären Kapitän – in Bountilus reflektiert durch Uniformen und Steam-Punk-Technologie. Nur fehlt eben dieses prototypische Abenteuer in der eigentlichen Geschichte und ich hoffe, dass wir in weiteren Episoden nicht zu sehr auf die Folter gespannt werden, was das versprochene Abenteuer und die Exotik betrifft. Seine Charaktere beherrscht Papelitzky sicher im Schlaf – was er braucht, ist kein Texter, doch ein Autor (oder zumindest Input von einem erfahrenen Schreiberling) könnte helfen. Denn wie viel mehr käme der Humor zur Geltung, wenn er sich vor dem Hintergrund einer klassisch strukturierten Geschichte entfalten könnte. So bleibt der Eindruck eines improvisierten Bühnenstückes, das mit den Regeln des Erzählens bricht, weil es leichter ist, sie zu brechen, anstatt sich an sie zu halten.
Und wer hier einwirft, es wäre halt Comedy: Witze machen noch keine Komödie. Texte noch keine Narrative.
Fazit: Trotz der Verweigerung an die Narrative: Bitte mehr Bountilus! Mehr Aliens, mehr Abenteuer, und gerne mehr Papelitzky.
Lesen könnt ihr Bountilus auch online auf Mycomics.de