#GamerGate: For one brief shining moment!
Es ist nicht allzu lange her, da schrieb ich über die Hoffnung, durch den #GamerGate-Konflikt würde endlich etwas mehr Frieden in der Videospielwelt einziehen, aber allmählich fürchte ich eher, wir haben es nicht mit einer letzten großen Eruption, sondern einem ewigen Grabenkrieg zu tun.
Denn nach wie vor mauert die Gamingpresse und wiederholt gebetsmühlenartig ihre Beleidigungen und Unwahrheiten. Nach wie vor versucht sie, Zoe Quinn und Anita Sarkeesian als Personen im Mittelpunkt zu halten, um sich dann zu ereifern, wie übel jenen, die sie auf das Schlachtfeld schicken, dort mitgespielt wird.
GamerGate und die Diskussionsverweigerer
Natürlich sind auch auf der Gegenseite Fouls zu vermelden: So brüsteten sich wohl 4/chan-User damit, die #notyourshield-Reihen mit Fake-Accounts zu stärken, was für die Gamingpresse willkommener Anlass war, damit alle anderen Frauen, Queers und Nichtweißen zu Sockenpuppen zu erklären und weiter zu ignorieren.
Und genau da haben wir, völlig unabhängig von allem unsympathischen Handlungen einzelner das große Problem: Den Unwillen zur Kommunikation.
Die kritisierte Presse fährt quasi eine „Keine Verhandlungen mit Terroristen“-Politik, die hier völlig unangemessen und unproduktiv ist. Und damit schürt sie den Konflikt natürlich noch zusätzlich. Der Grund dafür dürfte einfach sein, dass sie am längeren Hebel sitzt und nicht einsieht, warum sie da noch Moral braucht. – Und es funktioniert!
Aktueller Anlass für diesen, im Frust geborenen Artikel ist die niederschmetternde Erfahrung, wie ein guter (und an sich nicht dummer) Freund einen Anti-GG-Propaganda-Artikel lobte. Der Mann hat sich wohl schlicht nicht mit dem Thema beschäftigt (inklusive meiner Ausführungen dazu) und glaubt entsprechend das Erste, was er hört: Dass #GamerGate eine Hassbewegung sei, die Frauen aus der Videospielbranche vertreiben wolle.
Aufhänger ist die Amokdrohung, mit der irgendein mieser internet tough guy einen Auftritt Sarkeesians verhinderte. Diese eine anonyme Figur, deren Handeln nicht zur Linie der Bewegung passt, reicht natürlich aus, ALLE GamerGate-Aktivisten über einen Kamm zu scheren. – Fragt ein paar Rechtsparteien und sie werden euch mit Freude den kriminellen Ausländer zeigen, der die Unmoral aller Nichtdeutschen beweist.
Wer es trotzdem für eine sinnvolle Strategie hält, eine Bewegung nach ihrem unsympathischsten Anhänger zu beurteilen, lese doch einfach zur Abwechslung mal diese (natürlich ebenfalls einseitige) Seite, auf der GamerGate-Aktivisten Schmutz über ihre Gegner sammeln. Sind die wirklich eine angenehmere Gesellschaft?
Diversitätsfeindliche Diversitätsbefürworter
Der bizarrste und tragikomischste Aspekt der Kontroverse bleibt wohl das Verhältnis der Diskutanten zur Vielfalt. Denn es bleibt einfach ein Fakt, dass GamerGate NICHT die Bewegung männlicher weißer Heteros ist, als die es immer wieder dargestellt wird.
Die people of color, Homosexuellen und Frauen, die sich im Rahmen von #notyourshield dazu bekannt haben (oft mit Foto, da man ihnen sonst ihre Identität absprach) sind Legion, werden aber nach wie vor von der Berichterstattung ignoriert.
Natürlich kann man zur Sache unterschiedlich stehen, aber das hier ist keine Einstellungssache, das ist ein simpler Fakt! Und wenn Journalisten, also diejenigen deren Aufgabe es ist, Wahrheit und Fakten zu verbreiten, diesen Fakt unterschlagen… dann belegen sie damit wider jeden Zweifel die Notwendigkeit der Pressekritik, welche GamerGate übt. Selbst wer meint, der Anlass wäre ein falscher gewesen, wird zustimmen müssen, dass die Reaktion der Presselandschaft der Bewegung nachträglich recht gegeben hat. Ich sage nicht, dass eine Verschwörung vorliegt – aber bloße Faulheit und die Bereitschaft, die simpelste Erklärung der größeren Mitspieler sofort zu akzeptieren ist ebenso unvereinbar mit journalistischen Idealen.
In der GamerGate-Bewegung kommen Spieler verschiedenster Hautfarben, Nationalitäten und Geschlechter friedlich zusammen. Das ist doch genau das, was die „Social Justice Warriors“ zu wollen behaupten – doch sind es eben diese Menschen, die von ihnen beleidigt, oder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen werden. Übrigens nicht nur in der Bewegung, sondern auch sonst: Dass die umstrittene übersexy „Bayonetta“ auch weibliche Schöpfer hat, interessiert sie nicht. Diese Frauen in der Branche (also das, wofür sie angeblich sind), passen nicht in ihr simples Bild.
Wer sich nicht für GamerGate interessiert oder meint, die Aufregung sei übertrieben, darf das gern. Nur dann teile er das nicht in einem Artikel mit, in dem er noch kurz alle Aktivisten zu geschlechtlich verunsicherten Männern erklärt.
Anekdotische Beweisführung, die auf Einzelfälle verweist, taugt nichts. Sind wir uns letztlich da nicht alle einig? Sarkeesians wissenschaftliche Fahrlässigkeit sagt nichts über feministische WissenschaftlerInnen allgemein aus, ein anonymer Drohungskrächzer nichts über die GamerGate-Bewegung. Wer das anders sieht, müsste auch die kompletten 68er (inklusive ihrer Aufarbeitung des 3. Reichs und ihrer Ablehnung des Vietnamkriegs) verdammen, da sie ja schließlich auch die RAF hervorbrachten.
Wer sind die Feinde GamerGates?
#GamerGate: A bunch of feminist women harassing feminist women for being feminist women because they’re not feminist women.
Dieser pointinierte Tweet trifft allerdings nur einen Teil der Lage. Nach meiner Beobachtung (und in Übereinstimmung mit der Feministin Dr. Christina H. Sommers) sind die lautesten, aggressivsten und beleidigendsten Kämpfer der Anti-GamerGate-Bewegung und generell des selbsternannt feministischen Lagers männlichen Geschlechtes. An sich könnten weibliche Feministinnen das nutzen, indem sie solche Helfer ablehnen und damit moralisch punkten – tun sie aber in der Regel nicht, da man längst im reinen Parteiendenken angekommen ist, wo die Uniform mehr zählt, als das Ideal.
Auf diesen Punkt möchte ich jedoch auch die Gegenseite dringlich hinweisen, da auch auf dieser oft Paranoia laut wird, eine Horde lesbischer Radikalfeministinnen greife nach der Macht. Denn was diese selbsternannten männlichen Feministen antreibt ist zum kleinsten Teil wirklicher Feminismus.
Viele von ihnen fühlen sich gerade in ihrem überholten Geschlechterbild gestört wenn sie mitbekommen, dass sich auch Männer über Benachteiligung beklagen. Männer haben nicht zu jammern, sondern stark und stoisch zu erdulden! – Aus Zorn gegen diese Verletzung des Ideals, aber zu feige, um zuzugeben, wie sie eigentlich fühlen, behaupten sie also eine feministische Position zu haben.
Andere sehen es nur als eine Chance, sich über ihre Mitmenschen zu erheben: Indem sie sich „auf die Seite“ des anderen Geschlechtes schlagen (und die großen Presseorgane durch deren Lippenbekenntnisse auf ihrer Seite wissen), sichern sie sich ein gutes Gewissen und können nun heftig auf andere eindreschen. Sie können die ausführliche und sachliche Feminismuskritik eines Dritten nicht widerlegen, aber das brauchen sie ja auch nicht: Schnell grölen sie einen Satz darüber, was derjenige für Angst vor Frauen hätte oder für „male tears“ vergieße (man beachte das Männerbild, welches Tränen als Schande bezeichnet) und schon sind sie stolz, wie klug und selbstkritisch sie doch seien. – Selbstkritisch, indem sie nicht etwa Selbstkritik üben, sondern sich dafür loben, besser als ein anderer zu sein.
In Wahrheit meiden sie jede Selbstreflexion. Sie wissen ja, dass sie Die Guten sind und darauf ruhen sie sich aus. Scheint mir übrigens recht häufig gepaart zu sein mit einer gewissen Frauenverachtung im realen Alltag. Diese sorgt für das schlechte Gewissen, dass sie durch ihren Aktionismus betäuben können, um Frauen dann weiterhin missachten zu können.
Gibt es noch ein Happy End für GamerGate?
Indem die GamerGate-Aktivisten gezielt Anzeigenkunden der korrumpierten Seiten kontaktieren und sie zum Teil zum Rückzug bewegen konnten, wurden erste Erfolge erzielt. Doch zu wirklichen Gesprächen zwischen den Kontrahenten hat es noch nicht geführt.
Ich hatte gehofft, die erwiesene Vielfalt der GamerGate-Unterstützer würde die Fronten etwas aufweichen. Die Leute würden sehen, dass es kein Geschlechterkrieg ist, ja nicht einmal wirklich ein Krieg der Ideologien, sondern der Protest gegen journalistische Pflichtverletzung.
Aber wie soll die Mehrheit eine Krankheit mitbekommen, wenn gerade die Organe, die sie informieren sollen, davon befallen sind? Wer in der Sache nicht tiefer nachgräbt, bekommt die simple Geschichte von bösen Sexisten gegen tapfere Frauen vorgesetzt und ist damit zufrieden.
Wer sich darüber wundert, dass in Nordkorea schon drei Generationen Kims wie Götter verehrt werden, betrachte dieses Beispiel, wie schnell auch hier die lauten Stimmen abweichende Meinungen verdrängen. Und das sogar in einer Gesellschaft mit Redefreiheit und Internet.
Um es mit dem Musical „Camelot” und Jackie Kennedy zu sagen: „For one brief shining moment” hatte ich gehofft, endlich würde die Vernunft einkehren, aber allmählich zweifle ich daran.
#Gamergate – Ein unqualifizierter Kommentar | the eternal gamer
2. November 2014 @ 21:02
[…] Dirk hat vor einer Weile noch einen Folgeartikel beim Buddelfisch verfasst und behandelt in diesem den ganzen Themenkomplex bei weitem kompetenter und informierter […]