„Jurassic World“ oder Im Banne des Satanosaurus!
„Jurassic World“ (2015) von Colin Trevorrow
„Hey, Buddelfisch! Haben Rezensionen nicht eigentlich den Zweck Leute darin zu beraten, ob sie einen Film sehen sollen, oder nicht? Wenn ja, macht es ja wenig Sinn, dass du immer nur Dinge besprichst, die schon jeder gesehen hat.“
Da hast du nicht ganz unrecht, Stimme in meinem Kopf, und ich finde es auch gut, dass du mal über etwas anderes als nur Attentate auf Regierungsmitgliedern sprichst, aber ganz so eng sehe ich den Zweck nicht.
Wenn ein Review gut geschrieben ist, hat es auch darüber hinaus Unterhaltungswert und zudem gibt es ja irgendwo immer auch Leute, die einen Film erst auf DVD oder gar im Fernsehen sehen. Dazu diejenigen, die ihn gesehen haben und ihre Meinung gern bestätigt lesen bzw. diejenigen, welche den falschen Geschmack haben und vom Buddelfisch darauf hingewiesen werden müssen.
„Okay, das macht schon Sinn, aber könntest du die Zeit nicht viel besser nutzen für ein Attentat auf…“
ICH WÜRDE… ja gern noch weiter reden, aber ich hab hier noch zu rezensieren.
Also: Mehr als 20 Jahre nach dem originalen Jurassic Park wurde das Dinosaurierreservat neu eröffnet und hat es diesmal sogar über die Eröffnung hinaus geschafft. Als gerade die Neffen der Parkleiterin Claire (Bryce Dallas Howard) zu Besuch sind, bricht aber ein künstlicher, alles könnender Dinosaurierhybride aus und meuchelt munter Leute.
An der Tradition der JP-Filme, den Zuschauer mit Kindern zu belästigen, hält also auch dieser vierte Teil fest und um gleich kritisch zu bleiben: Wo er sich emotional versucht, scheitert er brutal.
Mitten in der fröhlichen Dinosaurierschau fragt einer der Jungs seinen Bruder unvermittelt nach der, vom Film nie angedeuteten Scheidung der Elten und auch sonst bricht man gern unvermittelt in Tränen aus. Die Liebesbeziehung des Heldenpaares scheint auch über An/Aus-Schalter zu laufen. Das ist peinlich und hemmt die Dinge, die man wirklich sehen will, ist aber noch immer besser, als die platte Pseudo-Philosophie über Gentechnik, mit der sich die ersten Teile größer machen wollten, als sie waren.
Monsteraction statt Ethikgelaber
Ich habe ja ein Herz für den oft geschmähten dritten Teil, weil er – trotz all seiner Fehler – zumindest ein offenes, ehrliches Monster-B-Movie war. „Jurassic World“ folgt ihm hierbei, bringt aber die beeindruckenden Dimensionen und den sense of wonder des Originals mit. Natürlich, so beeindruckend wie damals sind die Saurier heute nicht mehr, aber der Film schafft es, ihre Größe richtig zu inszenieren. – Etwas, an dem übrigens Peter Jacksons „King Kong“ furchtbar scheiterte.
Der neue Saurier – dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, da ich ihn sogleich „Satanosaurus“ taufte – haut an sich niemanden um. Etwa so groß wie ein T-Rex, schlanker und mit Stacheln, ist nichts auffällig an ihm. Doch immerhin ist er mit Superkräften ausgestattet und schlau genug, um eine Art übergroßen Slasher abzugeben, was ganz unterhaltsam ist. Mit den Raptoren (die ja schon von Anfang an falsch benannt, eigentlich Deinonychus‘ sind) macht man hier mal etwas Neues, da der Tierwärter Owen (Chris Pratt, der wohl ein neuer Filmcowboy wird) sie aufgezogen hat und mit ihnen kommunizieren kann. So gibt es eine Stelle, an der Motorrad gemeinsam mit ihnen auf der Jagd ist. – Das ist cool und unterstützt den Spielzeug-Charakter des Films weiter.
Der größte Fehler des dritten Teils war ja, dass er seinen Spinosaurus als da bomb inszenieren wollte, indem er ihn gleich beim ersten Auftritt einen T-Rex fressen ließ. Sollte zeigen „Guck mal, der ist viel tougher!“, kam beim Zuschauer aber als „Guckt mal, ihr kriegt nicht den T-Rex, den ihr sehen wollt!“ an. „Jurassic World“ hat aus dem Fehler gelernt, und hält den Zuschauerliebling lieber getrennt von dem Neuen, bis es später zu einem Monsterkampfshowdown kommt, der zum Schönsten gehört, was das Monsterkino zu bieten hat.
Ernsthaft!
Einige Leute (etwa der Nostalgia Critic) störten sich an den CGI-Effekten, doch auch ihre Herzen wurden endgültig durch ein Finale gewonnen, dass dem Monsterfan die Freudentränen in die Augen trieb.
Meta-Diskurs ahoi!
Schon, wenn Claire die Erschaffung des Satanosaurus damit begründet, man brauche eine neue Attraktion, weil ein einfacher T-Rex den Leuten vielleicht vor zwanzig Jahren gereicht hat, zeigt „Jurassic World“, dass er sich seiner Künstlichkeit durchaus bewusst ist.
Im Vorfeld machte Joss Whedon (dessen „Age of Ultron“ für mich der Inbegriff des langweiligen Fließband-Blockbusters ist) Negativpunkte, indem er versuchte, dem Konkurrenten mit vagen Sexismusvorwürfen zu schaden.
Wie wir wissen, war das Karma eine Bitch und der hinterhältige Robespierre musste bald selbst zur Guillotine, da seine Black Widow traurig war, keine Kinder bekommen zu können (ja… googelt die Geschichte selbst) und „Jurassic World“ wurde ein Überraschungserfolg. Hoffen wir, Whedon macht bald wieder kleinere Filme oder Fernsehen, wo er mit seiner ganzen Gewitztheit aufspielen kann, statt sich an austauschbares Zeug wie „Ultron“ zu verschwenden.
Denn warum ich es anmerke (außer, weil ich auch so wieder mit „Geschlechterzeug“ taggen kann, was der Verbreitung dieses Artikels hilft) ist, dass „Jurassic World“ meines Erachtens wesentlich augenzwinkernder war, was den Umgang mit Klischees angeht, als das Marvel-Spektakel. „Ultron“ hat sich in seinen „JEDER klopft IMMER Sprüche (außer Black Widow… die trauert, weil sie keine Kinder kriegen kann)“-Schienen festgefahren, „Jurassic World“ hingegen nutzt zwar reichlich Klischees, ist sich aber dessen bewusst.
So kommt es trotz heroischer Entscheidung des Comic Relief NICHT zu einer Liebeshandlung mit einer Kollegin, da diese einen Freund hat. So heißt heroische Musik beim Auftritt einer Figur nicht, dass sie etwas auf dem Kasten hat und die nächsten Minuten überlebt.
Wenn Claire darauf beharrt, Owen bei der Suche nach ihren Neffen zu begleiten, verweist er auf ihre mangelnde Erfahrung, ihre unpassende Kleidung und ihre ungeeigneten Schuhe (ja, der Film sagt es selbst – das High-Heels-Meme dazu ist also keineswegs schlau, sondern nur nachgeplappert). Sie begegnet dem, indem sie ihre Ärmel hochkrempelt, ihr Top zerreißt und es zusammen knotet, also im Schnelldurchgang die sinnlosen kosmetischen Änderungen vornimmt, mit denen sonst Heldinnen als tough dargestellt werden. Das ist ein Augenzwinkern in Richtung des Zuschauers, wie ernst man den Film zu nehmen habe.
Der erste Kuss der beiden erfolgt übrigens, nachdem sie einen Flugsaurier abgeknallt und damit ihm (der hilflos am Boden lag) das Leben gerettet hat, also die alten Geschlechterrollen bewusst vertauscht werden. Leider fällt die Szene einem späteren, an sich guten Gag in den Rücken, bei welchem die Neffen lieber auf seinen, denn ihren Schutz vertrauen, obwohl sie gerade obige Szene beobachtet haben. Das ist etwas schade, aber leider bezeichnend – oft wirkt der Film, als hätte man verschiedene Drehbuchfassungen unsauber zusammengefügt.
Herz statt Hirn
So etwas ist ärgerlich, aber der Film überlebt es. Ja, er ist nicht wirklich klug, aber er ist nicht so dumm, dass er die Intelligenz des Zuschauers beleidigt. Zudem bietet er eine hübsche Palette von Dinosauriern, spektakuläre Action mit diesen und am Ende steht er offen dazu, sich eigentlich mehr für seine Saurier, als für seine Menschen zu interessieren – und das tut der Zuschauer doch eh.