“Security” von Dean Ray Koontz
(1999. Dt. Ausgabe/Bastei Lübbe) Science Fiction/Thriller
Dean – Ray – Koontz.
Welch starke Reaktionen sowohl der Verehrung als auch tiefsten Abscheus habe ich wohl nur durch die Nennung dieses Namens hervorgerufen. Einige werden denken „Ah, dieser warmherzige, wohl menschlichste aller Thrillerautoren!“, andere eher „Oh Gott, dieser pseudomoralisch frömmelnde Reaktionär!“ – doch wirklich gerecht wird man ihm wohl mit keinem dieser simplem Schlagwörter. Zu verschieden sind seine Werke: Schweißtreibende Thrillerperlen wie „Intensity“ oder stehen neben bedeutungslosem Esoterikgefasel wie „Schlüssel zur Dunkelheit“, schlockig angehauchte Fantasyhorror wie „Phantoms“ ist dann noch ein ganz anderes Thema.
Im Allgemeinen lässt sich wohl sagen, dass die Bücher seiner frühen bis mittleren Schaffenszeit die besten sind; vorher schrieb er mehr SF und inzwischen scheint er zum konservativen Missionar alttestamentarischer Schule zu verkommen.
Zwei Makel hat er jedoch niemals abstreifen können: Schamlose Überhöhung und ständige Traumatisierung seiner Figuren.
Wohl kein Buch, in dem sein Protagonist nicht ein Musterbeispiel an Güte, Menschlichkeit und warmen (d.h. zahnlosen) Humors ist, der es gar nicht abwarten kann, sich mit möglichst vielen behinderten Kindern und vermenschlichten Hunden zu umgeben. Das ist deshalb umso beachtlicher, da sein Leben mit Sicherheit von irgendeinem Fließbandtrauma überschattet wird – Kindsmissbrauch, Tod der Eltern, Kriegserinnerungen, Unfall, Mord an nahestehender Person… irgendwo dran haben sie alle zu knabbern, doch im Laufe der Geschichte kommen sie allmählich darüber hinweg.
Na gut, wenden wir uns langsam mal „Security“ zu, welches eine generalüberholte Fassung des `73 erschienenen, kurz darauf verfilmten Romans „Demons Seed“ ist:
Die als Kind missbrauchte (Check!), gerade die Ehe mit einem gewalttätigen, kontrollsüchtigen Lumpen (Check!) hinter sich habende Programmiererin Susan ist genial, erfolgreich, wunderschön und auch sonst ein strahlendes Vorbild für die menschliche Rasse (womit die Checklist abgearbeitet ist, auf einen Hund verzichten wir heute). Sie lebt in einem hochtechnisierten Haus, welches komplett von einem allgegenwärtigen Supercomputer gesteuert wird. In diesen Computer dringt die aus einem Labor entflohene künstliche Intelligenz Proteus ein, die sich in sie verliebt, die Kontrolle über das Haus übernimmt und sie dazu bringen will, ihm ein Kind auszutragen, in das er sein Bewusstsein übertragen will. Als seine Hände dient ihm dabei der Todeskandidat Shenk, der nach geheimen Versuchen der Regierung über einen Computerchip im Gehirn von Proteus gesteuert wird.
Anders als sonst, schreibt Koontz diesmal nicht in der objektiven dritten Person, sondern vollständig aus der Sicht Proteus, dessen Verbindungen gekappt wurden und der sich nun vor seinen Schöpfern rechtfertigt um zu verhindern, dass er abgeschaltet wird. – Und genau darin liegt die Stärke des Buches. Koontz, der die Welt seiner Schurken schon immer besser zu schildern wusste, als die seiner Helden (vielleicht ein dunkler Trieb, den er durch seine übertriebenen Gutmenschenprotagonisten zu kompensieren versucht?) liefert mit Proteus eine komplexe und glaubwürdige Figur, deren rücksichtsloses Vorgehe zwar erschreckt, der aber mit seiner Angst vor dem abgeschaltet werden, seiner Einsamkeit und seiner Sehnsucht zeitweise durchaus auch das Mitgefühl des Lesers zu erringen vermag. Er ist nicht einfach ein böses Maschinenmonster (er selber verweist auf „2001 – Odysse im Weltraum“ und „Terminator“ um den Unterschied zu betonen), er bedauert es, dass er Menschen benutzen und bisweilen auch töten muss, entschuldigt sich fortwährend für seine Handlungen und beteuert seinen guten Willen. Dabei geht es jedoch nie soweit, dass er wie ein armer Edward Scissorhands wirkt: Wenn er von Wutanfällen übermannt wird, grausame Scherze macht oder Shenk zwingt, sich eine Waffe in den Mund zu stecken, um ihn zu disziplinieren, wird erschreckend klar, wie skrupellos und fern jeder wirklichen menschlichen Regung er eigentlich ist.
„Und Sandra Bullock ist reizend. Haben Sie sie in ‚Während du schliefst’ gesehen? […] Sie würde sich gut als Mutter der Zukunft eignen, und ich wäre erfreut, sie zu befruchten.“
Eine surreale Note bekommt der Monolog der Maschine dadurch, dass er noch immer hofft, ein Kind zeugen zu können. Wenn Susan als dessen Mutter nicht zur Verfügung steht, wüsste er noch andere Kandidatinnen, wie Winona Ryder, Mira Sorvino oder eben Sandra Bullock. Der chauvinistische Proteus zweifelt nicht eine Sekunde daran, dass sie sich ihm gern zur Verfügung stellen würden, schließlich werde er dereinst die Welt beherrschen und sei daher die denkbar beste Partie.
Ist dieses Mischwerk aus altem und neuem Koontz also das Meisterwerk, auf das wir nicht mehr zu hoffen gewagt haben? Leider doch nicht: Gegen Ende stürzt das Buch dann leider wieder in altbekanntes Terrain ab, da der Autor seine göttliche Susan natürlich nicht dem Monster überlassen und dessen Plan aufgehen lassen kann.
Demnach rettet sie sich wenige Seiten vor dem Ende mit einem simplen, nicht irgendwie vorbereiteten Trick, der wohl niemanden überraschen oder begeistern wird (obwohl es natürlich irgendwie passt, die Geschichte einer gottgleichen Maschine mit einem deus ex machina zu beenden). Begleitet wird das ganze vom obligatorischen Überwinden des Traumas unter herunterleiern von „Ich will kein Opfer mehr sein“-Platitüden und in einem selbstgerechten Nachwort freut sich der Autor darüber, was für eine glänzende Satire über seine engstirnigen Geschlechtsgenossen er da fabriziert habe.
Zu schade, da das Buch mit einem bösartigen Ende als Krönung wirklich ein tadellos finsterer Spaß gewesen wäre. Ich kenne die alte Fassung nicht, aber wie ich hörte soll die Sache damals anders ausgegangen sein. – Tja, da sind wir wieder bei der unheilvollen Entwicklung des Dean Ray Koontz.
(Dirk M. Jürgens)