„Baise-moi – Fick mich“ von Virginie Despentes
(dt. Ausgabe / rororo) Thriller / Szenedrama / Skandalnudelei
Ich wusste gar nicht, dass der (mir noch unbekannte) Film eine Romanvorlage hat (von der Regisseurin selbst geschrieben), aber als ich das schlanke Büchlein für 3,- Euro auf dem Grabbeltisch sah, habe ich doch gleich mal zugegriffen.
Meine Erwartungen, angesichts von Dingen, die laut „Skandal!“ schreien ist immer recht gering, doch dieser Roman war nun auch kein Meisterwerk, aber zu meiner Überraschung auch gar nicht schlecht. Er hat zuweilen eine mitreißende, durch und durch verkommene Stimmung und ist vor allem (entgegen den Reflexen vieler Kritikerdeppen) keineswegs eine feministische Heldinnengeschichte, sondern einfach nur die von zwei Mörderinnen. Egoistischen, miesen, sadistischen Mörderinnen, die, einfach nur mal, um es gemacht zu haben, einem Fünfjährigen ins Gesicht schießen und aus Gründen wirrer Emotionalität der einen von ihnen, lediglich Arabern nichts tun (ich will jetzt nicht in Klischees verfallen, aber gerade die zu verschonen riecht für mich nicht unbedingt nach Geschlechterkampf).
Dabei enthält sich die Autorin jeder Wertung. Sie schildert nur aus wechselnder Sicht die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren in all ihrer Willkür. Wie gesagt, zum Teil durchaus von morbidem Charme.
Ein Problem ist aber, dass das Buch dann eben doch sehr gewollt einen auf Skandal macht. Zum Teil hatte ich das Gefühl, die Autorin habe nachher noch mal lektoriert, um auch bloß genug Kraftausdrücke auf jede Seite zu pressen. Dass ihre Heldinnen ständig für Männer produzierte Pornos lesen und gucken, obwohl sie nicht lesbisch sind, wirkte auch etwas auf billige Schmutzigkeit ausgerichtet. Viele ihrer Exzesse (wenn zum Beispiel die eine von ihnen auf einen Hotelzimmerteppich menstruiert und sich Mühe gibt, es zu verteilen) sind einfach nur selbstzweckhaft und platt.
Das andere Problem ist, dass die Charaktere nicht allzu sauber ausgearbeitet sind und sich gerne vermischen. Mir ist schon klar, dass es darum geht, wie ähnlich sie sich sind, aber wenn eine als gebildet, die andere als prollig dargestellt wird, dann sollte nicht gerade die letztere Dinge wie „Ich will hier ja nun kein marxistisches Sprüchlein ablassen, aber…“ sagen. Klar kann sie wissen, was Marxismus ist, aber es passt einfach nicht, wenn der Rest ihres Textes bloßes „Hey, komm Dicke! Dem fetten Arsch ballern wir seine Scheißklöten weg, ey!“ ist. Und wenn ein Roman sich in Ekel suhlt, ohne seinen Figuren wirkliche Aufmerksamkeit zu widmen, dann macht das auf mich nicht den besten Eindruck.
Überrascht war ich allerdings, wie gut mir das Ende dann gefiel. Bei zwei unsympathischen Hauptfiguren, die mit ihrem baldigen Tod rechnen und ihn nicht fürchten gibt es nicht viele Chancen, befriedigend abzuschließen, aber mir wurde beim letzten Absatz doch ein hämischen Lächeln gegönnt, was mich mit vielem wieder versöhnte.
(Dirk M. Jürgens)