„Childhood Fears“ von Joshua Hoffine
Über Horror in Film und Literatur wurde schon viel gesagt, auch in der Welt der Musik sind sowohl Opern mit schauerlichen Elementen wie „Don Giovanni“ und „Hoffmanns Erzählungen“, als auch der „Shock Rock“ eines Alice Cooper oder Rob Zombie bekannt.
Auch die Malerei quillt nicht erst seit Hieronymus Bosch über von Schreckensszenarien, oft getarnt als eher einschüchternde religiöse Erbauung.
Die Fotographie hat es da natürlich schwerer, da sie nicht allein von der Imaginationskraft und handwerklichen Fähigkeit des Künstlers, sondern auch von passenden Objekten abhängig ist, weshalb sie, wenn sie das Grauen auffängt, es weniger aus Gründen der Ästhetik, sondern zur Anklage nutzt. Die Leichenberge von Auschwitz, die verbrannten Kinder aus Vietnam, die Folterbilder aus Abu Ghureib – alles eindrucksvolle Schreckensszenarien, doch da sie wahre, von anderen Leuten aus unkünstlerischen Gründen angerichtete Gräuel abbilden, lassen auch sie sich nicht in das Horrorfach einordnen.
Passen also Genre und Kunstform hier nicht zusammen?
Bevor Leute, die sich besser als ich mit Fotographie auskennen nun protestieren – ich maße mir gar nicht an zu sagen, dass es nichts Derartiges gibt. Unheimliche Stimmung kann wohl so mancher Fotograph einfangen, aber ich persönlich habe noch nichts gesehen, was ich wirklich als „Horrorgenre-Fotographie“ bezeichnen würde…
Bis ich Joshua Hoffines Bildersammlung „Childhood Fears“ sah.
DAS ist Horror – kein Zweifel!
Die Bilder sind direkt, sie sind unsubtil, sie schlagen keine sanften Töne an, sondern schlagen direkt auf den Betrachter ein, ohne dabei jedoch jemals plump oder auf billige Effekte bedacht zu sein. Keine tumben Ekelexzesse (auch wenn auch in dieser Hinsicht ab und zu geschluckt werden muss) oder ruhige, düster atmosphärische Stimmungsbilder. Hoffine zeigt direkt und offen die Schrecken und Monstrositäten, welche Kinder zu spüren glauben.
Das Monster unterm Bett, unter der Treppe (mein Favorit), der grässliche Clown oder der fürchterliche, irrationale Tod der Mutter – all diese auch heute noch verbreiteten Ängste, die viele Erwachsene vergessen glauben springen dem Betrachter in grellen Farben entgegen. Verstärkt wird die verstörende Wirkung oft durch subtile Hinweise auf das reale Grauen des Kindesmissbrauchs: Ist die Angst vor dem Monster, welches unter dem Bett hervor greift auch irrational, deuten die Bauklötze, welche die Worte „Daddy no“ bilden, ebenso wie die menschliche Hand des monströsen Wolfes auf der Treppe eine andere Art von Schrecken an.
Nach eigenen Angaben (und die Set-Fotos auf seinem noch jungen Horror-Blog – http://joshuahoffine.wordpress.com/ – belegen es) baut Hoffmann all seine Schrecken tatsächlich selbst, anstatt sie nur nachträglich per Computer einzufügen.
Wer es also wagt, sollte unbedingt seine offizielle Seite besuchen: http://joshuahoffine.com/splash.html
(Dirk M. Jürgens)
Links zum Thema:
– offizielle Seite von Joshua Hoffine
– Eintrag bei „Soothbrush“ mit einer schönen Bildübersicht und Kommentaren
Sebastian Kempke
22. Juni 2008 @ 10:18
Ein wunderbarer Fund aus dem Netz, Kollege!
Ein Kommentar noch: Dass Fotografie seit jeher als „dokumentarisch“ aufgefasst wird, ist ja bekannt: man erinnere sich an die vor über hundert Jahren bereits skandalösen Elfen- und Geisterfotos. Daß die Fotokunst den (fiktiven) Horror nicht schon entdeckt hat, denke ich allerdings weniger, wobei jedoch zu sagen ist, daß ein großer Teil der Fotokünstler, die sich auf das „Erschröckliche“ spezialisiert haben, eher in die Subkultur „Goth“ und „Darkwave“ verschlagen hat, wo sie die unterschiedlichsten Gestalten und „Egos“ szenisch und zweifelsohne mit viel Kunst porträtieren. Gerade in Deutschland gibt es da ja auch eine von den Massenmedien weitgehend ignorierte, jedoch sehr lebhafte Szene. Da allerdings geht es dann in Geschmacksfragen auch weit auseinander und der „Horror“ als das Unbekannte ist da ja auch weniger im Vordergund als die Selbstdarstellung von Persönlichkeiten und dem Selbstverständnis von Szene und Fetisch.
Hier, bei Hoffines Fotos (die übrigens aus der Reihe „After Dark, My Sweet“ stammen) geht es ja um den Horror als „Das Unbekannte“ und „Bedrohliche“ minus Selbstdarstellung und dadurch ist die Bildsammlung Hoffines semanitisch eben nur mit dem Schrecken als Solchem beladen – und auch ganz deutlich mit dem Motiv des bedrängten Kindes auch durch den „monströsen“ Erwachsenen.