Das Buddelfisch Interview mit… Elbe-Billy aus Hamburg
Über Comics, Hamburg, Kakerlaken, Rockabilly und selbstgemachtes Bier
Tarek el Bebbili, genannt Elbe-Billy, ist Comiczeichner und insbesondere seine episodischen Geschichten über den Unheimlichen Kakerlak haben ihn in der deutschen Comicszene bekannt gemacht. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Steff Murschetz an der aktuellen Inkarnation des U-Comix Comicmagazins und anderen spannenden Projekten. Ich habe Tarek im Oktober für den Buddelfisch ausgefragt:
Moin Tarek, vielen Dank für das kleine Interview! Wir haben uns ja zuletzt in Erlangen auf dem Internationalen Comic Salon gesehen. Jedes Mal wenn ich da unten in Bayern bin, bekomme ich zu hören, daß ja die meisten Comiczeichner aus dem Norden kommen. Meinst du, da ist was dran?
Ob die meisten Comiczeichner aus dem Norden kommen, kann ich nicht beantworten. Es sind auf jeden Fall eine Menge. Allein hier in Hamburg gibt es sie zuhauf. Allerdings gibt es auch etliche in z.B. Köln. Schwer zu sagen, könnte aber durchaus so sein.
Wie bist du zum Comiczeichnen gekommen, und wo hast du deinen nom de guerre Elbe-Billy her?
Meine Mutter hat mein Interesse für Comics geweckt. Ich war etwa 10 Jahre alt, als sie mir das erste Mal Marvel-Comics mitbrachte. Ich habe diese Hefte geliebt, sie waren eine willkommene Abwechslung zu Mickey Maus und Lucky Luke. Ich lernte also das Marvel-Universum kennen: Spider-man, Die Fantastischen Vier, Hulk, Der Dämon, aber auch Dracula und Das Monster von Frankenstein. In den Marvel-Heften gab es am Ende meistens eine abgeschlossene Horrorgeschichte. Die fand ich damals einfach klasse!
Es dauerte nicht lange und ich kannte sie alle, von Phantom und Tarzan bis zu Superman und Batman.
Es gab einen Comichändler in der Nähe, der größtenteils gebrauchte Comics verkaufte. Dort saß ich manchmal stundenlang und las oder wühlte mich durch die Berge von Comics. Zu dieser Zeit besaß ich also schon eine beachtliche Comicsammlung. Leider hat mein Vater sie entsorgt, als wir umgezogen sind – seufz.
Ich glaube, jedes Kind, das Comics liest, hat schon mal ausprobiert seine Helden zu zeichnen. Das habe ich natürlich auch. Ich erinnere mich daran, wie ich in der fünften Klasse selbstgezeichnete Spider-man Bilder mit einem Schulfreund tauschte. Er zeichnete für mich und ich für ihn.
In den Ferien durfte ich einmal alleine mit nach Berlin und dort den Bruder meines damaligen besten Freundes besuchen. Der Bruder war schon „groß“. Er war Wehrdienstverweigerer und hatte eine eigene Wohnung. Wer zu dieser Zeit in Berlin wohnte, musste nicht zum Wehrdienst. Dort lernte ich die Freak Brothers, Robert Crumb und U-Comix kennen. Die Freak Brothers haben uns so sehr gefallen, dass wir anfingen eigene Comics zu zeichnen, in denen wir mitspielten.
Diese Comics existieren noch. Mein Freund zeigte sie mir, als er mitbekam, dass ich nun tatsächlich Comiczeichner bin.
Später, als ich anfing zu arbeiten, ließ das Interesse am Zeichnen nach. Ich hatte ja noch ein anderes Hobby: die Musik. Ich spielte in einer Band. Da stand man voll im Leben, während man beim Zeichnen ja eher allein und zu Hause ist. Wir spielten die Rock and Roll Klassiker nach so gut wir konnten. Wir hörten uns die Songs an, spulten die Kassetten immer wieder zurück und schrieben die Texte auf. Manchmal konnten wir sie beim besten Willen nicht verstehen. Im Musikladen lasen wir dann die Songbücher und versuchten uns das Gelesene zu merken. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, wie leicht das heute ist. Einfach ins Internet und du bekommst sogar die Gitarrengriffe gezeigt.
Zu meinem „Kampfnamen“ bin ich durch ein Missverständnis gekommen. Eine Freundin hatte geglaubt, man nennt mich Elbe-Billy, weil ich wie ein Rockabilly rumlief und aus Hamburg stamme. Hätte ja auch sein können. Aber so ist es nicht.
Mein Name ist Tarek el Bebbili und das el Bebbili hörte sich für sie an wie Elbe-Billy.
Das war ein guter Lacher, so gut, dass ich zum Elbe-Billy wurde!
Die Elbe und Hamburg, spielt das in deinem Leben oder bei deiner Arbeit eine große Rolle?
In meinem Leben schon, bei der Arbeit weniger. Ich liebe Hamburg. Das merke ich immer dann, wenn ich nach längerer Abwesenheit zurückkehre.
Man vermisst ja oftmals das, was man nicht hat. Wenn man sich aber bewusst macht, was man hat, will man es erst recht nicht missen.
Ich bin in Altona geboren und wohne jetzt in Harburg, von dem viele Hamburger behaupten, es gehöre nicht zu Hamburg. Mir gefällt es hier. Ich wohne in Waldnähe, das Umland bietet viel Natur und in die Innenstadt ist es auch nicht weit.
Viele deiner Kurzgeschichten sind auf Mycomics.de zu lesen, der Onlineplattform von Panini. Welche Rolle spielt das Internet in deinem Leben als Comiczeichner?
Ich finde das Internet großartig. Ohne Internet hätte ich nicht wieder begonnen Comics zu zeichnen. Es ist doch fantastisch, dass man dort auf Gleichgesinnte trifft. Ich habe übers Internet eine Menge toller Leute kennengelernt und mit einigen sind richtige Freundschaften entstanden. Man sieht sich zwar nicht so oft, weil man teilweise durch große Entfernungen getrennt ist, aber man telefoniert oder schreibt sich.
Und auch beim Zeichnen benutze ich das Internet. Manchmal suche ich Vorlagen, recherchiere zu einem Thema oder höre mir während des Zeichnens Dokumentationen oder Ähnliches an.
Außerdem gibt es die von dir erwähnten Online-Plattformen, wo jeder seine Comics veröffentlichen kann. Super. Meinen ersten Comic habe vor einigen Jahren beim Comicwerk veröffentlicht. Daniel Gramsch, der Betreiber dieser Plattform, ist selbst Comiczeichner und hat mich damals so sehr ermutigt, dass ich seit dem immer am Ball geblieben bin. Bei Mycomics habe ich auch sehr viel Feedback von anderen Zeichnern bekommen. Es ist schon toll, sich mit anderen Zeichnern auszutauschen, wenn man im direkten Umfeld eher wenige Menschen hat, die sich für Comics im Allgemeinen und für das Zeichnen im Speziellen interessieren. Mit vielen der Zeichner, die ich dort kennengelernt habe, arbeite ich noch immer zusammen. Die ganze U-Comix Crew besteht aus Mitgliedern von Mycomics.
Auf welche Werkzeuge kannst du als Zeichner auf keinen Fall verzichten?
Ich kann beim Zeichnen auf keinen Fall auf Hörbücher, Hörspiele und auch Musik verzichten. Es ist zwar so, dass ich bei den Hörbüchern und Hörspielen eine Menge verpasse, wenn ich konzentriert an etwas arbeite, aber das stört mich nicht. Ich höre es mir einfach noch mal an.
Gabriel Burns, eine Geschichte von über 30 CD`s, habe ich noch nie zu Ende gehört. Eigentlich unglaublich.
Auf den Rechner möchte ich auch nicht mehr verzichten. Er ist mein Allzweckwerkzeug, mein Leatherman!
Bei Gabriel Burns verpasse ich keine Folge, eine meiner absoluten Lieblingsserien! Welche Hörspiele oder Hörbücher haben es dir noch angetan?
Ich höre mir sehr viele unterschiedliche Sachen an, Romane von z.B. Dan Brown, Ken Follet, Jussi Adler-Olsen, J.R. Ward, Stephen King oder auch Lustiges von Marc-Uwe Kling und Tommy Jaud. Es sind aber auch Biographien über z.B. Albert Einstein oder Autobiographien wie z.B. von Keith Richards bis hin zu ernsteren Themen wie den Nürnberger Prozessen dabei, gerne auch Klassiker wie Aldous Huxley`s „Brave New World“ oder Erich Kästners „Emil und die Detektive“. Bei den Hörspielen verhält es sich ähnlich. Angefangen bei Die Drei Fragezeichen bis hin zu John Sinclair. Du siehst, ich bin wirklich offen für alles, da gibt es nicht wirklich spezielle Vorlieben.
Was treibt Elbe-Billy, wenn er keine Comics zeichnet und was inspiriert dich in deinem Alltag?
Momentan bin ich ganz gespannt auf das Bier, das ich mit meinem Nachbarn selbst gebraut habe. Es fing damit an, dass wir den Sommer über verschiedenste Biersorten probiert haben, Biere aus aller Herren Länder. Diese „Bierverköstigungen“ führten dazu, dass wir eine Biermesse besucht haben. Dort wiederum haben wir Bekannte getroffen, die selber Bier brauen. Von daher lag es ja nahe, es selber einmal auszuprobieren.
Gibt es das selbstgebraute Bier nur bei euch privat zu trinken oder kann man das irgendwo käuflich erwerben?
Unser selbstgebrautes Bier ist ausschließlich für den privaten Gebrauch hergestellt worden, eher ein Gag, obwohl eine ehrliche Neugier der Antrieb dazu war.
Das Bier unseres Bekannten, er ist Brauer und Weltmeister der Sommeliers für Bier, gibt es allerdings käuflich zu erwerben. Sein Name ist Oliver Wesseloh und seine Brauerei heißt Kehrwieder, eine Hamburger Kreativbrauerei.
Erzähl uns mehr von deinen Hobbies!
Ich bin nach wie vor musikbegeistert. Ich habe mehrere Freunde, die noch immer Musik machen. Solche Auftritte besuche ich am liebsten. Als ich selber noch Musik gemacht habe, spielte ich in einer Rockabilly Band. Wir waren die Vorgruppe von Truck Stop (eine Country Band aus dem Norden). Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass einer der Musiker von Truck Stop einmal in der alten Villa wohnte, in der ich nun wohne. So schließt sich der Kreis. In dieser alten Villa wohnten in den 70er und 80er Jahren Freaks und irgendwie ist das immer noch so. Fast jeder in diesem Haus kann ein Instrument spielen. Also kommt es wiederholt vor, dass alle gemeinsam musizieren, obwohl die Musikgeschmäcker doch sehr unterschiedlich sind. Es wird gefeiert bis der Arzt kommt!
Ich bin ein geselliger Mensch. Ich brauche meine Familie, meine Freunde und selbst meine Nachbarn.
Truck Stop sind ja immer ’ne große Nummer gewesen im Norden! Mindestens die Titelmusik zum Großstadtrevier kennt ja nun wirklich jeder! Wie hieß denn eure Rockabilly Gruppe? Und was war deine Rolle in der Band? Und gibt’s vielleicht irgendwo noch ein paar Sachen von euch zu hören?
Die Band hieß „The Smut Pedlars“. Ich war einer der Sänger und Rhythmusgitarrist. Der Schlagzeuger und ich wechselten uns mit dem Singen ab. Er singt übrigens noch immer und hat es vor wenigen Jahren bei einem von Stefan Raab organisiertem Wettbewerb auf Pro7 sogar unter die letzten Fünf geschafft. Stefanie Heinze gewann damals. Von dieser Band existieren einige Videoaufnahmen, die sich allerdings nicht in meinem Besitz befinden.
Vor dieser Band spielte ich in einer Schulband, die sich „The Ruffles“ nannte. Von dieser Truppe gibt es auf Youtube einpaar Aufnahmen anzusehen. Sie sind aber eher sehenswert als hörenswert, hahaha.
(Anmerkung von Sebastian: Das habe ich natürlich direkt mal gesucht und möchte euch das Fundstück nicht vorenthalten… The Ruffles!)
Was sind deine aktuellen Projekte und welche würdest du gerne mal angehen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet?
Momentan arbeite ich an einer Geschichte von Christopher Kloiber, dem Chef von Plem Plem Productions. Chris habe ich auf dem Comicfestival in München kennengelernt. Ich schätze Leute wie ihn, die die Ärmel hochkrempeln und die Sache anpacken. Das sind Leute, die mit Herz und Seele Comics machen. Levin Kurio, der Herausgeber von Weissblech Comics, hat es vorgemacht. Über die Jahre hat er es vom Independentverlag zum Kult-Verlag geschafft! Cooler Typ.
Des Weiteren zeichne ich für unseren eigenen Verlag (Undergrouncomix.de) Kurzgeschichten für das U-Comix Magazin. Ein nettes Gemeinschaftsprojekt, inszeniert von Steff Murschetz, an dem viele unterschiedliche Zeichner mitwirken. Und natürlich geht es mit „Die Chronik der Kakerlaken“ auch weiter.
Projekte gibt es viele, Ideen auch. Aber, wie du ja weißt, dauert das Zeichnen halt etwas länger. Daher habe ich nicht die Zeit, all den Verlockungen nachzugehen.
Bezüglich U-Comix: Ursprünglich hast du ja deine ersten Kakerlak-Stories auch selbst geschrieben. Wie entstehen die Stories für das U-Comix, schreibst du die auch allein oder immer mit Steff zusammen? Die Geschichte mit Christopher Kloiber war eine Story über einen Profikiller? Oder erinnere ich mich da falsch?
Für das U-Comix Magazin habe ich bisher vier Geschichten von Steff, aber auch vier eigene umgesetzt. Es verhält sich also ziemlich ausgewogen.
Die Kurzgeschichte mit dem Profikiller, die du ansprichst, ist nicht von Christopher Kloiber gewesen, sondern von Henning Mehrtens. Henning ist ein wirklich lustiger Kerl, der auf der Reeperbahn im Schmidts Tivoli arbeitet, das hier in Hamburg ja einen exzellenten Ruf genießt.
Die Geschichte, an der ich momentan arbeite, ist tatsächlich von Chris und wird nächstes Jahr veröffentlicht.
Wo kaufst du deine Comics in Hamburg? Hast du einen Geheimtipp?
Ganz in der Nähe meines Zuhauses gibt es seit etwa einem Jahr wieder einen Comicladen. Der Betreiber, Racing Rainer, tummelt sich auf wohl jeder wichtigen Messe herum. Sein Laden ist gut sortiert und er ist immer hilfsbereit, wenn man etwas sucht oder wissen möchte.
Als ich erfahren habe, dass ich als Figur in einem von Wittek gezeichnetem Comic im Alfonz (der Comicreporter) auftauche, bin ich gleich zu Rainer gefahren. Voller Stolz habe ich ihm davon erzählt und war überglücklich, als er mit dem Alfonz aufwartete. Tja und dann hat Rainer das Teil aufgeschlagen und… Tadaaa. Ein zweiseitiger Bericht, von Rainer geschrieben, mit Fotos und allem Drum und Dran. Ohne Worte! Da konnte ich dann nicht mehr mithalten.
Dann gibt es noch den Comicroom. Dort bekomme ich auch englischsprachige Comics, die hier nicht erscheinen oder noch nicht erschienen sind. Kommt zwar nicht oft vor, dass ich mir solche kaufe aber gelegentlich schon. Die letzten waren aus der Reihe Starlight (geschrieben von Mark Millar und gezeichnet von Goran Parlov). Der Comicroom war der erste Laden, wo ich meine eigenen Comics entdeckt habe. Mann, was habe ich mich gefreut. Und wieder wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn ein Freund fragte ganz erstaunt: “Worüber freust Du Dich eigentlich? Anscheinend wurden sie ja nicht verkauft!“
Zu guter Letzt gibt es noch das Comicladen-Kollektiv, wo ich wirklich coole Raritäten erhaschen konnte. Hier gibt es überwiegend gebrauchte Comics und man kann schön stöbern. Ein ähnlicher Laden wie der in meiner Kindheit. In Hamburg gibt es eine ganze Reihe von Comicläden, aber das sind die, die ich am ehesten aufsuche.
Comicveranstaltungen in der Hansestadt? Ist da gerade was am Entstehen? Wie wäre es mit einem Comic Salon nördlich des Weißwurst-Äquators?
Hatten wir ja alles einmal. Damals, ich war um die 20 Jahre alt, gab es hier noch eine wirklich gute Comicveranstaltung, einen Comic Salon nördlich des Weißwurst-Äquators. Ein Mal im Jahr traf sich die gesamte Szene. Leider ist damit Schluss.
Das jetzige Hamburger Comicfestival ist klein. Es ist eine nichtkommerzielle Veranstaltung und daher natürlich nicht vergleichbar mit der von damals.
Vielen Dank für das Interview!
Lars
16. Oktober 2014 @ 19:45
Toll! Habe alle Kakerlak Comix zuhause, Elbe Billy ist ein toller Künstler! 🙂
Vielleicht als nächstes ein Interview mit Plem Plem? :))
Sebastian
17. Oktober 2014 @ 13:47
Hallo Lars, das wäre eine Idee! Danke für deinen Kommentar 😀