Tatort: Der irre Iwan & Deckname Kidon
Tatort: Der irre Iwan & Deckname Kidon (beide 2015)
Ich wiederhole jetzt nicht mein Lamento, eigentlich keinen „Tatort“ mehr zu gucken, denn nachdem „Im Schmerz geboren“ zeigte, dass sich auch echte Qualität in die Reihe einschleichen kann, bin ich öfter gewillt, ein paar Chancen zu geben.
Zum Jahresbeginn sah ich nun gleich zwei davon und will beide hier kurz zusammen abhandeln.
„Der irre Iwan“ (Richard Huber)
Christian Ulmen und Nora Tschirner ermitteln unter „Danni Lowinski“-Veteran Richard Huber in einem Bankraub sowie einem Mordfall unter Zwillingen, bei dem unklar ist, welchen der Brüder es erwischt hat.
Der Fall ist pfiffig, mit einer in der Pathologie wieder erwachenden Leiche hat er eine der schrägsten Stellen in der Geschichte der Reihe und die wunderbare Sophie Rois spielt mit. Negativ ist die misslungene Tontechnik anzumerken (für die sich bereits entschuldigt wurde) und den ideologischen Daumen runter gibt es für eine Szene, in welcher Tschirner ihren Partner Ulmen undercover mit Hilfe von Rockern zwingt, sich ihren Namen tätowieren zu lassen. Weil Männer nun einmal bekanntlich im deutschen Fernsehen kein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben.
Ansonsten aber ein, wenn auch nicht bahnbrechender, doch netter und unterhaltsamer Film.
„Deckname Kidon“ (Thomas Roth)
In Wien wird ein iranischer Atomwissenschaftler umgebracht und obwohl die Kommissare ahnen, dass ein Fall aus der Geheimdienstwelt nicht polizeilich lösbar ist, bleiben sie dran und entdecken genau die Verstrickungen, die jeder in einem solchen Fall erwartet.
Erinnert ihr euch an den unangenehmen Beigeschmack in Herrn Schweigers erstem „Tatort“? – Nun, „Deckname Kidon“ überholt ihn rechts.
Um gleich das Ende vorweg zu nehmen: Der Mann der Wissenschaft wurde vom Mossad ermordet und die gleichen Täter richten später einen zweiten Mann auf offener Straße mit vier Schüssen hin. Unsere Kommissare stehen mit gezogenen Waffen daneben, greifen nicht einmal dann ein, als die Auftragskiller ihnen kurz grüßend ihr Gesicht zeigen. Später heißen sie die Morde schmunzelnd gut und zum Kontrast haben wir noch den wiehernden Amtsschimmel der internen Ermittlung, welcher sie mit einer Nichtigkeit belästigt. So wird dem Zuschauer deutlich gemacht, wie nutzlos und schwach der Rechtsstaat ist und das man mit Gesindel kurzen Prozess zu machen hat. Dass Liquidation kein Mord ist und Staatsfeinde wie Ungeziefer ausgemerzt gehören.
Es bestätigt wohl so einige Klischees, dass diese Botschaft gerade von einem österreichischen „Tatort“ überbracht wird.
Tragikomisch zudem, dass Regisseur Roth mal für die Band EAV gearbeitet hat, deren „Heimatlied/Wir marschieren“ er offenbar ernst genommen hat:
„Anarchisten, Kommunisten
Ihr werd’s uns nix überlisten!
Zehn von uns gegen an von Euch
für ein saub’res Österreich!“
Erschreckend, wie wenige Kritiker das Problem hier überhaupt nur zu bemerken scheinen. Auch in dieser Zeit, wo staatliche Tötungen, Folterungen und Verschleppungen hier im Westen wieder en vogue sind, brauchen die meisten Leute halt die simplen, oberflächlichen Kennzeichen die abzulehnen sie trainiert sind, um rechtes Gedankengut zu erkennen.
Nicht, dass mich das überrascht – durch genau solche Denkverweigerung feiern ja auch die PEGIDA-Typen Erfolge und empören sich darüber, als das bezeichnet zu werden, was sie sind.
Nicht das Bärtchen macht den Hitler.
Umbra
6. Januar 2015 @ 20:47
Wobei ich will was anmerken, Dirk.
Die EAV versteht sich als mehrheitlich ‚linke‘ Gruppe, die zwar durchaus schonmal rechtem Gedankengut(„Supertürke“) die Geige spielt, aber im Endeffekt, ich würde das nicht überbewerten.
Und wirklich, deine Nacherzählung klingt wie eine Empfehlung, wie ein Jack Bauer der in Österreich spielt und in dem der Mossad Menschen killt. Ich muss den unbedingt nachholen.
Dirk M. Jürgens
7. Januar 2015 @ 12:27
Darum meinte ich ja tragikomisch: „Wir marschieren, wir marschieren,/es vertrocknet unser Hirn“ ist ja eine recht deutliche Stellungnahme gerade gegen das Dargestellte – und das scheint der Regisseur eben nicht verstanden zu haben.
Wären die Mossad-Agenten die Hauptfiguren gewesen (halt wie Jack Bauer), wäre es auch für mich bekömmlicher gewesen. Dann wäre es halt deren Geschichte mit deren Moral gewesen. Aber so haben wir normale „Tatort“-Ermittler im Mittelpunkt, die eigentlich für ein anderes Rechtsverständnis stehen.
James T. Kirk
11. Januar 2015 @ 15:48
Schade, ich hätte gerne bei eurem aktuellen Comic einen Kommentar geschrieben. Leider fehlt da das Formular. Was ist denn da los?
Dirk M. Jürgens
11. Januar 2015 @ 16:14
Es gab im Rahmen der höheren Besucherzahlen etwas Durcheinander, das Problem müsste aber inzwischen behoben sein!