Pro7s Unschönheiten
Erst einmal mein Fluch über den Kollegen Dobbitsch (u.a. bekannt von seiner famos benannten Seite Life’s a Dobbitsch), der mich aus purem Sadismus drängte, mir „Die Karawane der verfluchten Jungfrauen“ der „Pro7 Märchenstunde“-Nachfolgeserie „1001 Nacht“ einzuschalten.
Darin dürfen wir Axel Stein zusehen, wie er als Orientaltranse verkleidet in den Harem von Sultan Dirk Bach eindringt, um sich an eine von dessen Frauen heranzumachen. Der Sultan selbst rührt sie natürlich nicht an, weil er ja wie gesagt von Dirk Bach gespielt wird und Schwule bekanntlich nur Schwule spielen dürfen (und wer den verstorbenen Komiker kürzlich betrauert hat, möge seine Trauer nach Sichtung dieses Films vielleicht noch mal relativieren). Es gibt aber auch irgendeinen satanischen Plan irgendeines satanischen Magiers (der VOLL LUSTIG meist mit dem „Imperial March“ aus „Star Wars“ unterlegt wird), aber das soll uns nicht interessieren.
Interessieren soll uns nur das absolute Fehlen von Humor. Keine Übertreibung: Ich habe exakt ein einziges mal ganz leicht geschmunzelt, aber ansonsten war es eine absolut humorfreie Zone. Ich möchte nicht ausschließen, dass die Autoren glaubten, etwas komisches zu schreiben, aber die „Disaster Movie“-erprobte Methode, halt einfach fremde Filmszenen nachzuspielen oder VOLL LUSTIGE Cartoongeräusche über alles zu legen, will ich einfach nicht zählen. Darüber, dass die Haremsschönheiten ständig shoppen wollen, dürfte nicht einmal mehr Mario Barth lachen (außer, er sagt es selbst) und auch die routinierten Verweise auf modernes Fernsehen (da verfällt der Händler kurz in den Tonfall eines Shoppingsenderfritzen) ist witzfreies Füllmaterial. Weil wir im Orient sind, spricht die Erzählerin natürlich pseudotürkisches Prolldeutsch, weil DIE DA DRÜBEN eben so sind. ALLE.
Wenn Steins Angebetete sich emanzipieren will, möchte ich nicht ausschließen, dass man tatsächlich etwas Charaktertiefe anzielte, aber das scheitert natürlich restlos daran, dass alle Figuren, aber eben besonders die Frauen gackernde und kreischende Klischees sind. Für dämlich hält man den Zuschauer natürlich auch und erklärt ihm seine plumpen Sparwitze zeitschindend überausführlich, aber eine gewisse Verachtung für Leute, die derartiges sehen, ist vielleicht ganz angebracht.
Regisseur Michael Karen darf übrigens das Morgendland in Kürze auch im Kino mit dem Kaya-Yanar-Film „Agent Ranjid rettet die Welt“ potraitieren, dessen Trailer mir schon letztens im Kino die Lebensfreude absaugte.
Doch wie der Titel verrät, möchte ich gleich noch über weitere Pro7-Produktionen meckern: Zuerst einmal misshandle ich die Leiche der zurecht gefloppten Serie „Der kleine Mann“, die zeigt, dass Ralf Husmann trotz „Stromberg“ (ja, ich weiß, dass das Konzept geklaut und nicht plausibel umgesetzt, war, aber das ändert nichts daran, dass es gut geschrieben war) und dem von mir geschätzten „Dr. Psycho“ doch kein unfehlbares Wunderkind ist. Denn wo „Stromberg“ als Comedy anfing, um im Laufe der Zeit immer mehr Tragik und Elend zu verbreiten, nimmt er hier den zweiten Schritt vor dem ersten und erstickt den Humor in einer, an Fassbinder gemahnenden grau-in-grau-Szenerie. Der an sich fähige Hauptdarstelle Bjarne Mädel bekommt in seiner Rolle als Werbestar Rüdiger Bunz kaum Material, aus dem sich was machen lässt, sondern darf nur tranig (und mit Sprüchen vermischt, die wohl von der Schwesternserie aussortiert wurden) uninteressantes erzählen. Ich habe ihn in verschiedenen Rollen sehr überzeugend gesehen, hier fehlt ihm als Protagonisten aber einfach die Strahlkraft, die Serie zu tragen.
Nie schafft „Der kleine Mann“ es zudem, zu einem klaren Ton zu finden und ihre Anstrengungen, zu ihren Gags zu gelangen, sind zuweilen Heraklesarbeiten, die zuzusehen wahrlich ermüdet. Nichts funktioniert da stimmig und organisch, für alles muss sich verbogen werden.
Wir bekommen etwa die klassische Story, in welcher der Held sich präsentieren möchte (in diesem Fall für die Homestory eines Lifestyle-Magazins) und alles schief geht. Doch wo etwa „Pastewka“ meist sauber aufbaut, wieso die Dinge eskalieren, schaltet man hier einfach alle Figuren auf so dämlich, dass man nichts mit ihnen mitfühlt, wenn sie sehenden Auges in ihr Verderben laufen. So bügelt unser Held offen einsehbar in seinem Laden seine Hosen, während er auf die Journalisten wartet, nur damit es peinlich wird, wenn diese kommen und er in Unterhose dasteht.
Das ist keine komische Wendung, sondern einfach eine klare, logische Folge, die jeder Mensch der Welt hätte voraussehen und entsprechend vermeiden sollen. Ging er in der ersten Skriptfassung dazu vielleicht in ein Hinterzimmer und die Journalisten wurden überraschend eingelassen, doch nun wollte man alles an einem Drehort erledigen? Ich weiß es nicht – erledigt wurde aber auf jeden Fall der (altersschwache) Gag.
Variiert wiederholt man es, wenn im Hause Bunz der senile Schwiegervater ebenfalls in Unterwäsche herumläuft, als Rüdiger die Reporter ins Haus holt. Wohlgemerkt angekündigt! Doch seine Frau, die derweil ihre Locken für den Fotographen richtet, hat nicht bedacht, dass ihr geistesschwacher, halbnackter Vater vielleicht nicht vorteilhaft rüberkommen sollte. Der Böse ist entsprechend Bunz, weil er sich ja für den Alten schämt, obwohl der doch zur Familie gehört.
„Der kleine Mann“ ist sicher keine Vollkatastrophe, wie „1001 Nacht“, zuweilen gibt es tatsächlich mal einen Schmunzler, aber es bleibt eine recht dröge Sache.
Bevor jetzt jemand meint, der Serie fehle halt das Charisma Christoph Maria Herbsts, der sei daran erinnert, dass auch der, obwohl talentiert, nicht alles retten kann. Anschaulich vorgeführt in „Kreutzer kommt“, dem verbissenen Versuch, eine „exzentrischer aber genialer Detektiv“-Serie nach angelsächsischem Vorbild zu drehen.
In bereits zwei Filmen kam Kreutzer erst in einen Nachtclub, dann in ein Krankenhaus und es stehen weitere Ankunften zu befürchen. Leider scheitert der Versuch der Autoren, eine exzentrische Figur zu schreiben schon daran, dass sie keine normalen Figuren schreiben können und ihrem kahlköpfigen Held dann einfach sinnlose Macken und Unhöflichkeiten in den Mund legen, die eigen sein sollen, aber nur erzwungen wirken. Ein stimmiges Gesamtbild kommt nie auf, wenn er Leute auf den Mund küsst, sinnlos (und unoriginell) beleidigt oder überraschend Respekt vor Älteren fordert. Auch der Szenerie merkt man die Mühe an, mit der Biedermänner zur Schrägheit zu gelangen hoffen: Blinde Klavierspieler und kotzende Hochzeitsgesellschaften buhlen darum, als ach so crazy wahrgenommen zu werden, lassen aber jede echte Abgedrehtheit vermissen.
Das alles würde die Filme nur schlecht machen, doch was ihnen den Todesstoß verabreicht, ist der groteske handwerkliche Mangel, dass immer wieder Brocken erläuternden Textes aus dem Treatment oder Pitch direkt in die Dialoge kopiert werden. So führt man den Helden durch das Gespräch zweier Polizisten ein: „Man sagt, er habe ein dunkles Geheimnis“ und auch seine eigene Catchphrase „Kreutzer – ich löse den Fall“ passt auf eine Werbeanzeige, doch nicht in den Mund einer Filmfigur.
Nachdem ich den „Nachtclub“ vor einigen Jahren durchlitten hatte, wagte ich mich an das „Krankenhaus“, bis mich zur ersten Werbepause eine so enorme Lustlosigkeit auf dieses steife, unsympathische Gekünstel überkam, dass ich meiner Chronistenpflicht nicht weiter nachging, sondern stattdessen eine Runde „Doom“ spielte. Der Doomguy mag zwar auch keine Persönlichkeit haben, aber zumindest nervt er nicht, sondern beschränkt sich auf ein grimmiges Grinsen, wenn er eine neue Waffe aufsammelt. Damit hat er Kreutzer einiges voraus.
(Dirk M. Jürgens)
comicfreak
30. Oktober 2012 @ 12:46
..erinnert mich an Polts Germanikus; völlig humorfrei, ich kam nicht mal in die Nähe eines Lächelns.
milan8888
5. November 2012 @ 14:20
Germanikus ist super
Dirk M. Jürgens
5. November 2012 @ 14:55
Über die These kann man definitiv streiten. 😉
comicfreak
22. Januar 2013 @ 14:16
..dann wüsste ich gerne eure Meinung zu „Guest House Paradiso“, auch ein gruseliger Streifen aus Göttergattes Schenkelklopfersammlung..
Dirk M. Jürgens
22. Januar 2013 @ 17:10
Hm… ein kurzer Blick in die Wikipedia verheisst Fürchterliches… ich werde es mir mal vormerken müssen. °_O
„Eine Insel namens Udo“ oder Endlich mal nichts zu meckern! | Weird Fiction
31. Mai 2013 @ 22:20
[…] zeigt die behutsame aber treffsichere Inszenierung. Ein überdeutlicher Ich-Erzähler, wie er etwa „Der kleine Mann“ totquatscht hätte es ruinieren können, stattdessen zeigt man uns und lässt uns selbst […]