„Bayside Shakedown“ oder Wangan Police Station im ersten Kinoeinsatz!
¨Bayside Shakedown¨ / (踊る大捜査線 Odoru Daisōsasen) (1998) von Katsuyuki Motohiro
(vorliegendes Medium: exzellent untertitelte DVD aus Hong Kong)
Viele Nationen haben ihre Eigenheiten, wenn es um TV-Serien geht. Wer sich ein wenig mit dem japanischen Fernsehen auseinandergesetzt hat, der weiß, daß es sich keinesfalls auf die in den Medien oft breitgetretenen skurillen Gameshows und die weltbekannten Anime-Serien beschränkt, sondern daß es auch in Japan ganz normale TV-Serien gibt, denn abseits von Superhelden und Gummimonstern schaut man sich auch in Nippon gerne romantische Geschichten des Alltags, Krimis und Thriller an. Die sogenannten ¨Drama¨-Serien zeichnen sich nach westlichem Maßstab gerne dadurch aus, daß sie richtig romatisch, richtig traurig und völlig überdreht lustig sein können. Wer sich von Stereotypen leiten lässt, der würde vielleicht vermuten, daß es in Japan besonders zugeknöpft vor sich gehen würde, aber da würde man schnell eines besseren belehrt werden. Bis heute finde ich es höchst bedauerlich, daß man keine japanischen TV-Serien in Deustchland synchronisiert, denn es gibt so viele sehenswerte Produktionen, vor denen man sich weder aufgrund interkulturelle Verständnisprobleme noch aufgrund mangelnder Relevanz fürchten muss. Ich würde sogar soweit gehen, daß so manche Fernsehreihe aus Japan dem deutschen TVdurchaus den Rang ablaufen kann, so herzlich, so charakterbetont und so abwechslungsreich kommen die beliebtesten Serien daher. Aber nun zu ¨Bayside Shakedown”.
Der erste Film aus der ¨Bayside Shakedown¨-Reihe folgt eben einer solchen Drama Serie, die ich in diesem Fall noch nicht gesehen habe, was dem Spaß allerdings keinen Abbruch tut. Ich habe nun höchstens Lust darauf, die Serien einmal nachzuholen.
Im fiktiven Wangan Poilzeirevier an der Bucht Tokios tut der Polizist Aoshima (Yûji Oda) seinen Dienst. Der junge Beamte hat alle Hände voll zu tun und bekommt nur wenig Schlaf, mittlerweile scheint ihm aber aufzugehen, daß die Verwaltung mehr Zeit frisst als die tatsächliche Aufklärung von Verbrechen.
Der Film beginnt mit einer vermeintlichen Überwachung, die sich aber schnell als Shuttle-Service entpuppt, um den Polizeichef von Tokio zum jährlichen Golfturnier zu kutschieren.
Doch auch dieser Arbeitstag hält noch so einige Überraschungen parat: Eine Wasserleiche wird an einem Kanal gefunden und nachdem man sich mit Schlauchbooten und Metallstangen ein Duell mit dem angrenzenden Polizeirevier liefert, um den Toten zuerst aus dem Wasser zu fischen, ist der Fall Chefsache bei der WPS. Nach eingehenden Untersuchungen stellt man fest, daß dem Toten der Bauch aufgeschnitten, ein Teddybär in den Magen gestopft und die ganze Geschichte dann wieder zugenäht wurde. Was für ein Rätsel! Rätselhaft ist es aber auch, warum plötzlich sämtliche Quittungen von den Schreibtischen der Polizisten verschwinden, auch hier muß ermittelt werden. Als dann aber sogar noch der Polizeichef direkt nach dem Golfturnier entführt wird und die oberste Polizeidirektion das Krisenzentrum im WPS errichtet, ist das Schlafdefizit wieder einmal vorprogrammiert.
Aoshima und seine Kollegen wollen die Ermittlungen natürlich sofort aufnehmen, doch interne Querelen verbieten den Polizisten des WPS, in den Fall einzugreifen und man muss sich mit den beiden kleineren Fällen begnügen. Natürlich sind die Helden vom WPS gewieft genug, um bei dem ganzen Stress trotzdem die richtigen Entscheidungen zu treffen: Aoshimas Kollegin Hyuga (Kyōko Koizumi) sind im Fall der Wasserleiche schon bald auf einer heissen Spur, die in ein düsteres Internetforum führt, in dem sich das Opfer scheinbar freiwillig seinem Mörder angeboten hat. Man arrangiert ein Treffen mit dem unheimlichen Fetischisten und gibt sich als interessiertes Opfer aus.
Aoshimas Lieblingskollegin und vermeintlicher Love-Interest Sumire Onda (Eri Fukatsu) grübelt allderweil darber nach, ihren Job hinzuschmeissen, um dem Verwaltungstrott und den ewigen Sparmaßnahmen des Revierleiters zu entgehen. Doch Onda behält einen kühlen Kopf und kommt der Lösung des Rätsels um die verschwunden Gegenstände im Polizeirevier immer näher.
An anderer Stelle übernimmt der väterliche Chef Aoshimas, Kommissar Waku (Chôsuke Ikariya), auf eigene Faust Ermittlungen im Entführungsfall und risikiert damit nicht nur die Zukunft seines Reviers sondern auch das Leben des Polizeichefs. Aber Waku wäre nicht der klügste Kopf des Reviers, wenn er nicht seiner Nase und seiner Erfahrung folgen würde. Aoshima seinerseits gerät in Konflikt mit seinem ehemaligen Kollegen Muroi (Toshiro Yanagiba), der durch seine Einsatzleitung im Entführungsfall von der obersten Polizeidirektion dazu gezwungen wird, gegen die Interessen der lokalen Poilzei und gegen seine eigenen Prinzipien zu handeln.
Bayside Shakedown ist eine temporeiche Polizeikomödie, der es immer wieder gelingt, tolle Charaktermomente, abstruse Witze und spannende Wendungen zu liefern. Dabei gelingt ein für westliche Verhältnisse ungewohnter Spagat zwischen Buddy-Movie, Feel-Good-Comedy, echtem Drama und Polizeikrimi. Sicher kommt auch dieser Film nicht ohne Kommissar Zufall aus, allerdings fällt es nicht schwer, diesen Makel bei einer solch lohnenden Mischung einfach auf die leichte Schulter zu nehmen. Bayside Shakedown meistert es vortrefflich, seine zahllosen Charktere immer wieder ins Rampenlicht zu stellen. Hier spürt man dann auch die TV-Wurzeln, denn die Chemie zwischen den Figuren und ihre Hintergrundgeschichten deuten immer mehr an, als für eine einzelnen Film notwendig wäre. Das macht neugierig auf mehr Stories aus dem Wangan Police Department!
Drehbuchautor Ryôichi Kimizuka liefert eine ausgewogene und abwechslungsreiche Komödie ab, die immer wieder Spannungen zwischen den Figuren aufbaut und viele Themen aufgreift, die bis heute in Japan, aber auch im Rest der Welt aktuell sind. Die Internet-Otakus mit ihrem mörderischen Fetisch erinnern stark an den Kanibalen von Rotenburg und andere Fälle, die Jahre nach „Bayside Shakedown“ durch die deutsche Presse gingen. Als besonders gelungen empfand ich den oft so abgedroschenen Konflikt zwischen den Polizisten im Einsatz und der Verwaltung, die den Kontakt zum “echten Leben” verlieren. Letzten Endes ändert sich für die Beamten der Wangan Police Station nicht viel, doch allen wird über kurz oder lang klar, daß wenn sie das System verändern wollen und zum Wohle der Bevölkerung beitragen wollen, dann muss jeder sein Bestes geben, freiwillig und auf die jedem eigene Art und Weise. Das beweist sich dann im äußerst dramatischen Finale, in dem dann um nicht weniger als um Leben und Tod nicht nur des Polizeichefs sondern auch Aoshimas und Wakus gebangt werden darf. Großes Drama!
[rating:4/5]
Anhang: Introsequenz von Bayside Shakedown
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