„Türkisch für Anfänger“ – S01-01
Die Serie gilt als kleines Juwel der TV-Landschaft und gelungener Beitrag zur Völkerverständigung, nur an mir zog sie komplett vorüber. Die aktuelle Wiederholung im Ersten soll für mich Gelegenheit sein, diese Bildungslücke zu stopfen und hier Bericht darüber zu erstatten.
Ich werde – voraussichtlich – nicht zu jeder Folge etwas schreiben, vielleicht auch irgendwann aussteigen, aber es scheint mir ganz interessant, statt einer generellen Rückschau mal immer wieder zwischendurch Meldung zu machen.
Ich mag Elyas M’Barek, es kann ja nur besser werden, als der letzte Intergrationsversuch der ARD, warten wir ab, was kommt!
Staffel 1, Folge 1: „Die, in der ich meine Freiheit verliere“
Erster Gedanke: „Das gefiel mir noch besser, als es ‚Mein Leben & ich‘ hieß… Mann, sah Wolke Hegenbarth mit kurzen Haaren gut aus! Es gibt viel zu wenig kurzhaarige Frauen im Fernsehen… Moment… wollte ich nicht grad ‚Türkisch für Anfänger‘ sehen?“ – Okay, okay, ignorieren wir dieses Stilvorbild, inhaltlich geht es ja in eine andere Richtung.
Doris, die Alternativo-Mutter der sarkastischen Teenager-Heldin Lena ist mit dem Türken Metim zusammengekommen, der die beiden Stereotypen Cem (Jungmacho) und Yagmur (Kopftuchmädel) mit in die neue Großfamilie einbringt. Denn man zieht gleich zusammen. Eine kurze erste Begegnung der Kinder in einem Restaurant, zack, dann werden schon die Zimmer aufgeteilt – bei denen sich Lena und Yagmur eines teilen müssen, da man das Haus wohl nicht einmal vorher besichtigte. Warum die Eile? Nun – man will ja gleich zur Comedy kommen.
Es gibt immer wieder ein paar gute Sprüche (wie etwa Lenas Antwort auf Cems Frage, ob sie immer soviel labere: „Das ist die Nebenwirkung, wenn man intelligent ist“), aber ansonsten scheint es mir ziemlich mit dem Holzhammer geschrieben.
Klar, man hat nur 25 Minuten Zeit und es wird ja sicher später noch Charakterentwicklung geben, aber Yagmur ist nahezu peinlich, wie zweidimensional sie wirklich aufs Muslimasein reduziert wird. Sie bekommt nicht eine Dialogzeile, die nicht damit zu tun hat.
Nils hingegen hätte man gern etwas mehr überziehen können: Wenn er unbegründet aufgeschlossen und optimistisch ist, hat das zuweilen tatsächlich eine gewisse Komik. Wenn er sich aber begeistert, vom gerade erst kennengelernten Stiefvater wachkitzeln lässt und davon schwärmt, ihn Papa nennen zu dürfen, ist das zu viel, um glaubwürdig zu sein, aber zu wenig, um eine schräge Figur abzugeben.
Die moralische Erpressung durch vorgetäuschte mütterliche Tränen wollen wir jetzt nicht näher thematisieren, da wir ein anderes ideologisches Problem bekommen: Cem stört sich an Lenas freizügiger Kleidung und engagiert darum einen Kumpel, zudringlich zu werden, auf dass er sie rette und ihr zeige, wohin ihr Lebensstil führe.
Das Schockierende ist, dass der Plan funktioniert. Ja, später findet sie heraus, was dahinter steckte und es gibt einen kleinen, nicht allzu dramatischen Streit, aber das er für einen sexuellen Übergriff auf sie gesorgt hat, der sie erschüttert und in Tränen zurück ließ, wird hier nicht als große Sache behandelt. Das ist es aber leider.
Was er hier vorführt, nennt man Rape Culture.
An sich eine Verschwörungstheorie, mit der allen Männern die Sünde einiger weniger aufgedrückt werden soll, aber natürlich in kleinerem Rahmen durchaus real: Vergewaltigung, oder kleiner aufgezogen, sexuelle Bedrängung wird als Waffe genutzt, die Frau zu unterwerfen.
Das macht unsere Gesellschaft (anders als die Aluhutträgerinnen meinen), nicht, Cem hier aber schon. Und das als kleine Comedy-Intrige abzutun, auf dass die beiden später ein Paar werden (hey, ich sag nur, ich hab die Serie nie gesehen, nicht blind zu sein) ist sehr, sehr, sehr unangenehm.
Dass das wieder nur mich, nicht die begeisterten Kritiker, Zuschauer und Zuschauerinnen stört, ist noch ein ganzes Stück unangenehmer.
Bonuspunkte, dafür, dass Lena am Ende eine ungewollte Umarmung von Metin aufgezwungen bekommt, in der sie überraschend feststellt, sich geborgen zu fühlen. Also hat die Umerziehung wohl gefruchtet.
Gut, das war die erste Folge. Handwerklich nicht auffallend, aber okay, inhaltlich mit einem gewaltigen Problem. Hoffen wir, dass sich letzteres nicht fortsetzt und meine Folgebeiträge nicht schon wieder so lang werden.