„Türkisch für Anfänger“ (Der Film) oder Rückkehr in die 50er
„Türkisch für Anfänger“ (2012) von Bora Dagtekin
„Türkisch für Anfänger“ – Schlusswort zur Serie
Die Richtigkeit meiner Entscheidung, die Berichterstattung über „Türkisch für Anfänger“ einzustellen wurde von der ARD nachträglich bestätigt, indem sie gleiches mit der Ausstrahlung tat.
Allerbest! Ich habe nämlich genug davon gesehen, um nicht daran zu glauben, dass da doch noch Gold zu finden ist. Insbesondere beleidigte mich die Serie mit ihrer enormen Plattheit und Überdeutlichkeit: Sie konnte kaum einen Gag „organisch“ entwickeln, sondern brach sich auf Kosten der Natürlichkeit immer wieder einen ab, um sich mühsam irgendwie zur Pointe zu quälen. Ich nenne so etwas „Trittleiter-Witz“, da er sich eben erst eine Leiter aufstellen muss, ehe er zünden kann.
Beispiel: Lena nutzt den alten Komödienhut, so zu tun, als wäre sie mit Axel zusammen. Was ist die erste, ach so lustige daraus erwachsene Folge? Metin verlangt begierig, sie möge vor der versammelten Familie von ihrem ersten Kuss erzählen! Kennt doch jeder, die Situation, oder? Alle Eltern der Welt verlangen doch die Schilderung erotische Details von ihren Kindern. Dennoch ein weitere Punkt für die unangenehme Häufung von Szenen, in denen er seine Stieftochter verdächtig bedrängt.
Wie dem auch sei: Nach Ende der Serie gab es ja noch einen Reboot in Spielfilmform, welcher einen nahezu perversen Erfolg an den Kinokassen einfuhr. Wende ich mich doch mal dem zu…
„Türkisch für Anfänger“ – Der Film
In der ersten Szene teilt uns Lena mit, wie sehr sie das 68er-Alternativo-Getue ihrer Mutter nervt. In der zweiten Szene sehen wir ein Che-Guevara-Poster in ihrem Zimmer und spätestens jetzt wissen wir, mit welcher Sorgfalt hier erzählt werden wird. Statt über die Eltern lernt man sich diesmal im Urlaub kennen und die erste Reaktion der Heldin ist unfassbares Erstaunen darüber, dass die Türkin Yagmur ein Kopftuch trägt. Denn so etwas hat sie noch nie gesehen oder auch nur davon gehört und genau darum können wir uns nach einer Lobotomie auch so gut mit ihr identifizieren.
Das Flugzeug kommt in Turbulenzen, was wenig nachvollziehbar dazu führt, dass Lena, Macho Cem, seine Schwester Yagmur und der stotternde Grieche Costa erst in einem Rettungsboot, dann auf einer einsamen Insel landen. Über das gemeinsame Verschwinden ihrer Kinder lernen sich so auch Doris und Metin kennen, vergessen den Anlass aber recht bald. Da neben Lobotomierten nämlich auch Psychopathen zu seiner Zielgruppe gehören, behandelt der Film anhand der beiden so große Sorgen, wie die Erkenntnis, dass man nicht mehr zwanzig ist. Definitiv ein größerer Kummer, als auf See verschollener Nachwuchs.
Auf der Insel erfährt Lena nun in zahlreichen Lektionen, dass sie sich der männlichen Autorität Cems unterzuordnen hat. Als sie in eine Fußangel gerät (denn, kein Witz – auf der Insel gibt es Kannibalen), will Cem ihr helfen, was sie sich verbittet. Als er daraufhin weggeht, ist sie erbost, denn schließlich hätte er wissen müssen, dass das Nein einer Frau eigentlich ein Ja ist… Super Botschaft, liebe Autoren!
Während das zentrale Paar so ziemlich ihren Figuren in der Serie entspricht, hat man Yagmurs Religionstick so ziemlich fallen gelassen. Dafür hat man sie zu einer extrem unangenehmen Person gemacht: So lässt sie sich etwa von Costa beim Schwimmen (im Badeanzug) beobachten, um dann ihren Bruder um Hilfe zu rufen. Wie erwartet schlägt er Costa wutentbrannt zusammen bis das Blut spritzt, während sie lustvoll zuguckt. Die Zielgruppe guckt lustvoll mit und träumt davon, wie romantisch es doch sein muss, mit einem besitzergreifenden Gewalttäter zusammen zu sein.
Apropos lustvoll: Elyas M’Barek verbringt einen Großteil des Films nur in Badehose und legt auch diese gelegentlich ab. Doch diese Schauwerte sind bloße Glasperlen, mit denen dem weiblichen Publikum ein Geschlechterbild aus den 50ern untergejubelt wird. Denn das Konzept, dass zwei unterschiedlich verkorkste Personen zu einem Paar werden und sich dabei bessern müssen, ist ja altbekannt, beachtlich aber, worin hier jeweils die Besserung besteht: Lena lernt (schmerzhaft), dass sie den Mund halten soll mit ihrem Gewäsch über Umweltschutz, Mitbestimmung und Emanzipation. Cem hingegen zeigt seine Besserung, indem er keinen Sex mit einer Bewusstlosen hat.
Ernsthaft: Lena hat mit den Kannibalen Friedenspfeife geraucht (diese wurden von einer Forscherin, welche die white man’s burden auf sich nahm inzwischen zivilisiert) fummelt mit Cem rum und schläft dann sofort ein. Sie nimmt an, dass er sie wohl in der Nacht entjungfert hat, als sie aber erfährt, dass dem nicht so ist, schmilzt sie ob dieses perfekten Gentlemantums dahin.
Mehr kann man halt nicht erwarten, denn die männliche Sexualität ist natürlich böse: Ein Typ, der sich an Mutter Doris heranmacht, entpuppt sich als Prostituierter (die Beleidigung, zahlen zu sollen, ist der guten Frau eine Ohrfeige wert) und wenn Costa und Yagmur zusammenkommen, schlägt sie ihm zwischen den Küssen immer und immer wieder ins Gesicht. Er kann sie zwar haben, die Verwerflichkeit seines Verlangens muss aber auch dann bestraft werden, wenn es erwidert wird. – Der Fairness halber sei gesagt, dass sich auch Lena eine von mütterlicher Hand fängt. Dass man seine Kinder mal schlagen muss, ist Doris‘ Lektion in der Filmhandlung.
Ein bitteres Lachen in diesem Abgrund des Sexismus‘ sind die ungelenken Versuche, den Figuren philosophischen Hintergrund zu geben. Bei den Frauen heißt dieser schlicht Alice Schwarzer: Ein Buch des BILD-Werbemodels liegt auf Doris‘ Nachttisch, an der Wand der Forscherin hängt ein „Emma“-Cover und Lena zählt ein Autogramm von ihr zu ihren wertvollsten Besitztümern. Die Autoren gaben sich halt mit der plumpen ersten Assoziation zum Thema Feminismus zufrieden, was vor allem Desinteresse zeigt.
Handwerklich fällt die furchtbare Tontechnik auf, die ständig zwischen leisem Dialog und laut hämmerndem Ballermann-Pop wechselt und wer gemischte Gefühle angesichts „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ verspürt, kann sich auf ein Wiedersehen mit dessen Gekreische, sowie dem, direkt aus dem Kopf gegessenen Affenhirn freuen. Hier und da gibt es mal einen guten Gag oder Spruch, aber meist sind diese ähnlich trittleiterig wie in der Serie.
Im Vorfeld war ich davon ausgegangen, dass der Film vermutlich geringfügig besser wäre, als seine Vorlage, doch das war ein schlimmer Irrtum. Dramaturgisch ziellos, humoristisch schwach und ideologisch verwerflich, stellt der Erfolg von „Türkisch für Anfänger“ der deutschen Filmnation ein trauriges Zeugnis aus.
Daniel
25. Februar 2019 @ 20:40
Ich weiß es ist schon lange her, aber ich habe jetzt erst diese Serie und diesen Film gesehen. Und auch wenn ich in den ersten Folgen viel lachen konnte über die Sprüche, die so kamen, geht es doch wirklich sehr schnell bergab, wie hier gut beschrieben wird. Vor allem die falsche Ideologie ist wirklich bereits seit Folge 1 dabei und wird immer schlimmer. Am Anfang denkt man noch es wäre tatsächlich in irgendeiner Form eine feministische Serie, aber ganz im Gegenteil. Durch und durch sexistisch mit schrecklichen Vorurteilen, die weiter bestätigt und verankert werden, statt sie zu karikieren und aufzulösen.
Was mich daran am meisten stört, wie wahrscheinlich auch dich, ist, dass diese Serie und der Film als Erfolg gefeiert werden. Unglaublich. Der Regisseur macht dann auch gleich weiter mit dem Wahnsinnserfolg „Fack Juh Göhte“, der ebenfalls ganz tolle Botschaften transportiert (Ein Ex-Knasti, der auch mal Schüler schlägt, ist immernoch der beste Pädagoge). Den Film könntest du dir auch einmal vornehmen 😀
Beste Grüße
Dirk M. Jürgens
28. Februar 2019 @ 17:32
Oja, „Fack Juh Göhte“ war dann die nächste schlimme Steigerung. Habe ihn gesehen, auch überlegt, was darüber zu schreiben, aber mein Ekel war einfach zu groß, als dass ich mich weiter damit auseinandersetzen wollte.
Bei all seiner Entsetzlichkeit war mein Highlight übrigens die UNFASSBAR WITZIGE Szene, in der unser SUPER SYMPATHISCHER Held die Heldin mit Rohypnol ausknockt. Eigentlich ja nur, um sie aus dem Weg zu haben, aber wenn er schon dabei ist, fasst er sie halt mal an. ULTRALUSTIG, weil ja ohne jeden Bezug zu Dingen, die in der Realität eventuell nicht ganz so dufte sind.