Buddelfisch… quo vadis 2016?
Der Internationale Comic Salon 2016 ist vorüber! Nun ist es mal wieder an der Zeit, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, eine Bestandsaufnahme zu wagen und kühn in die Zukunft zu schauen. Wohin treibt es unseren kleinsten Kleinverlag?
Vor 12 Jahren haben Dirk M. Jürgens und ich uns vorgenommen, unseren eigenen Blog zu starten, obgleich wir von der Technik dahinter zu dem Zeitpunkt keine Ahnung hatten. Kurzgeschichten und Zeichnungen wollten wir als unentgeltlichen Kulturbeitrag ins Internet stellen, abgerundet von Buchbesprechungen und Filmkritiken. Die Frage, ob das irgendjemanden interessiert stellte sich nur in jenen dunklen Momenten, in denen wir wieder einmal eine aktuelle Inkarnation unseres Internetauftrittes an russische Pornospambots oder Malware-Spinnen verloren, erneut eines unserer Foren in Flammen aufging oder sich alte Backups einfach nicht mehr auslesen ließen. Aus diesem ewigen Kampf gegen den Mahlstrom des Internets erwuchs eine Idee, die sich Buddelfisch nannte und zum Kleinverlag wurde, wie wir ihn heute kennen. Dieser Tage drucken wir unsere Comics auf Papier und verkaufen Sie an unsere Leser – ein paar haben wir schon dazu überredet, Comics gegen Bargeld bei uns einzutauschen – und bislang hat es auch kein Pornospambots geschafft, unser Lagerregal zu erklimmen und Spam zwischen die Zeilen der Sprechblasen zu spritzen (das liegt wohl an der derben Credibility, die wir uns mittlerweile erarbeitet haben oder daran, dass man offline sowieso ganz selten mit pornographischen Spambots zu tun hat).
Vor einigen Monaten ist mit Im Museum des Mumifizierten Mandarin die erste Ausgabe unserer Serie Sturmboje erschienen. Die Idee dahinter ist tatsächlich ebenfalls über 12 Jahre alt und sollte damals noch ein Film werden, das dazugehörige Drehbuch wurde aber höflichst von namhaften Produktionsfirmen und TV-Sendern abgelehnt. Im „Kino des kleinen Mannes“ (nämlichen unseren selbstgedruckten Schundheftchen) wird nun selbst diese Story langsam Wirklichkeit. Also nicht Wirklichkeit, aber zumindest kann man sie jemandem in die Hand drücken und die Geschichte kann dann ganz für sich alleine Furcht und Schrecken verbreiten.
Das gilt aber nicht nur für die Sturmboje, sondern stellvertretend eben auch für alle unsere Kollegen, die ebenso lange geübt und gebangt haben, um irgendwann mal ihre eigenen Geschichten vor sich liegen zu haben, um sie in die Welt hinauszuschicken, wo sie Spaß, Unheil und Erheiterung stiften können. Meine Erfahrung: je argloser der Leser, umso größer die Begeisterung, einen völlig unbekannten Stoff für sich zu entdecken, insbesondere wenn er quasi in der Region produziert wurde. Grundkurs Mord (Vanessas Kiel-Krimi) und die Sturmboje (deren erste Story ebenfalls in Kiel spielt) haben auf jeden Fall ein paar Gesichtszüge nach oben entgleisen lassen in den letzten Monaten und die Sturmboje-Kurzgeschichte Die Kinder von Rungholt hängt seit letztem Sonntag sogar im Nordsee-Museum Husum und schmückt dort die Ausstellung Rungholt – rätselhaft und widersprüchlich.
2008 habe ich noch vorsichtig davon geträumt, unsere Comics im Kieler Fantasyreich zu sehen und jetzt ist (dank tatkräftiger Unterstützung von Peter & Susanne, dem Team des alteingesessenen Kieler Comictempels) auch das längst Wirklichkeit geworden.
Auf dem Internationalen Comic Salon 2016 war unser Buddelfisch-Team so groß wie noch nie!
Gregor Schenker, seit über 10 Jahren mit dabei, war wie immer unsere kultureller Meterstab, arbeitet er doch mittlerweile gar als bezahlter Filmkritiker für Züricher Publikationen. Lest sein Comictagebuch, das er für euch auf dem Salon festgehalten hat. Auch wenn Gregor in den letzten Jahren nicht ganz so viel Zeit zum Zeichnen hatte, halte ich ihn doch für einen der besten wo gibt! Der Mann kann sehr laut lachen und seine Bilder gehören in ein Museum, ebenso wie eine goldene Pressung seiner Darbietung in unserem Hörspiel „Kreisch wenn der Krake kraucht“!
Dirk M. Jürgens hat auch nach 12 Jahren noch keine Ahnung davon, wie man Websites bastelt, dafür kann er sich jedoch aller Kritik an seiner Person erwehren, indem er Hiebe mit dem brandneuen Hardcover-Schinken seiner Strichmann-Comics austeilt. Auch diese starteten vor genau 10 Jahren auf einem unserer Website-Urahnen! Dirk, du bist ein Fixstern in einer sich wandelnden Zeit!
Katrin Felder hatte seit fast einem halben Jahr nicht mehr geschlafen, um rechtzeitig zum Comic Salon ihren vollfarbigen Hochglanz-Hundertseiter Palm Beach Two #3 beim Buddelfisch rauszubringen. Katrin ist übrigens seit Kurzem beim Kleinverlag voll mit an Bord und bringt nicht nur Comics und Talent sondern auch viele Ideen und Hirnschmalz mit – den Stand hat sie größtenteils von Hand gefertigt, Tischdecken geklöppelt und mit Pappmache Heftregale gebastelt! Comic-Kollegin Schlogger nannte sie bereits ganz treffend Eierlegende Wollmilchkatrin, und genau so ist es! Vor sechs Jahren haben wir uns auf unserem ersten Comic Salon kennengelernt, indem ich ihr einen echt blöden One-Line vor den Latz knallte. Ein Glück sind erste Eindrücke weit weniger fatal als man allgemein annimmt.
Anna Fuchs präsentierte erstmals ihre famosen Food-Postkarten und unterstütze uns wie immer mit der gewohnten Mischung aus Pragmatik und apologetischem Feingefühl, den sie auch anderen glücklichen Comickollegen zuteil kommen ließ. Anna ist nicht weniger als der gute Geist der Comicszene von morgen und wir sind sehr froh, dass sie uns auch dieses Jahr wieder bei so vielen Projekten unterstützt. Da fühle ich mich doch glatt ein paar Salons zurückversetzt und erinnere mich daran, wie Anna mir ihre Mappe zeigte und nach meiner Meinung fragte. Da wusste ich noch gar nicht wer sie ist und was sie so alles auf die Beine stellen würde! Zum Beispiel als Fuchs verkleidet Weisheiten verteilen!
Vanessa Drossel ist seit 2014 mit an Bord und werkelt derzeit noch am zweiten Band von Grundkurs Mord. Wer so aufwändig illustriert, braucht seine Zeit, aber natürlich muss gut Ding einfach Weile haben. Nur nicht, dass ihr Stefan Dinter und Christopher Tauber vom Zwerchfell Verlag irgendwann auflauern und sie ihrer Skizzen berauben, damit sie endlich rausfinden, wie die Story weitergeht! Doch Vorsicht: Vanessa hat Polizei!
Vor drei Jahren habe ich sie auf Animexx gefunden und habe ihr die Reise nach Erlangen gestiftet. Das ging damals zwar ganz heftig aufs Portmonnaie, aber ich kenne keinen Kleinverlag, der sowas macht. Voll korrekt, oder? Die Rechnung ist aufgegangen: Jetzt kommt sie immer von ganz alleine mit!!
Ralph Niese hat dieses Jahr mal richtig fleißig mit am Stand gewerkelt, hat gemalt, geschnackt und verkauft und war wie immer der Magnet für richtig coole Typen wie Rainer Engel und Bela Sobottke. In den letzten Jahren hat Ralph mir so viel über das Comics-Machen beigebracht, dass ich manchmal gar nicht so richtig weiß, wie man sich für all das revanchieren kann. Ich glaube, er verdient sich den Max-und-Moritz-Preis fürs „Unterm Radar fliegen, Deadlines surfen (bis weit auf den Sand) und gleichzeitig Youngsters auf der ganzen Welt schulen“. Bundesverdienstkreuz, mindestens. Er hatte die Preview-Version seines ALF / Max-Wright-Comics „MAXimo problemo“ dabei.
Marco Felici hat sich mit Ralph einen Tisch geteilt und brachte Die Faust des Cthulhu #1 und #2 mit. Ich kenne Marco seit 2008, seit er unsere „Perry – unser Mann im All“ Story getuscht hat und uns verbindet eine vortreffliche Leidenschaft für Gewaltmanga und Horrorfilme. Auf seine erfrischende Hamburger Art ist Marco ein moralischer Kompass für alles Gute und Richtige auf der Welt und sagt auch gern mal laut Bescheid, wenn beim ICOM der Falsche gewinnt. Also die ganze Zeit. Wir freuen und auf mehr Fieser Splatter mit Ralph und Marco!
Als weiteren Gast hatten wir Maikel Das mit dabei! Maikel gehört für viele Comicfans zum Urgestein des deutschen Science-Fiction und Comic-Fandoms. Vielen ist er als Herausgeber der „Perry – unser Mann im All“ Comics bekannt, anderen wiederum als leidenschaftlicher Star Wars Fan, als praktizierender Donaldist und als schnauzbartragender Eckpfeiler der Hamburger Comicszene. Seine neuen Arbeiten finden sich sowohl in offiziellen Star Wars Magazinen als auch im Bahnhofsbuchhandel oder auf den kunstvollen gestalteten Reprisentickets des Hamburger Savoy-Kinos.
Auf dem Salon präsentierten wir das Heftchen „Buddelfisch präsentiert: MAIKEL DAS“. Darin verfolgen wir sein Schaffen zurück zu den Wurzeln und finden heraus, dass alles mit John Carpenter begann. 2-Science-Fiction- Kurzgeschichten, ein Artikel von Gunnar Sadlowski und Maikels John Carpenter-Fanzine-Titelbilder aus dem „Tracer“ verpacken wir zu einer kleinen Zeitkapsel für euer Fanzine-Regal!
Die Pläne zum oben genannten Fieser Splatter und dem Maikel-Das-Heft haben wir übrigens 2014 auf dem Comic Salon spontan entwickelt und irgendwie hat sich doch alles so ergeben, dass wir es dann dieses Jahr dabei hatten. Eine Menge geschafft haben wir jedenfalls.
Der Comic Salon war wie immer einfach umwerfend und es gibt zu viele wunderbare Hallos und Heyhos, zu viele coole Momente und auch leider eine Menge Freunde aus der Comicwelt, für die man zu wenig Zeit hatte, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. An dieser Stelle aber einen großen Dank an Carolin Reich, die Vanessa, mich und viele Kartons heldenhaft transportiert hat und dieses Jahr das erste Mal auf dem Salon war. Danke an Hannes und Oli von NiGuNeGu, an Jo Lott und Aljoscha Jelinek und an alle anderen, mit denen wir die Abende verbringen durften. Ein spezieller Dank an unsere Hoschis Haiko, Marius und Annelie von der Pengboom Society und an Eve Jay und Lukas Wilde von der Comic Solidarity, mit denen wir seit 3 Jahren zusammen revolutionieren und netzwerken!
Uff… und quo vadis?
Es ist nicht sonderlich schwer, einen kleinen Kleinverlag zu haben, das kostet nur ein paar Euro beim Amt und ein paar mehr bei der ISBN-Agentur. Die Herausforderung liegt für mich darin, für sich selbst zu entscheiden, was man leisten kann und will, wie weit man wachsen kann und will.
Den deutschen Comicmarkt zu lesen und hier strategisch zu agieren, ist nur wenig nebelhafter als die Interpretation des morgendlichen Kaffeesatzes und wie immer habe ich auf dem Salon viele Stunden damit verbracht, mich mit anderen Verlagen, Indies und Künstlern zu unterhalten. Dabei ist eigentlich nur eines klar: Wir haben hierzulande einfach zu wenige Leser, zudem sind wir nicht Teil einer gesunden, nationalen Comickultur sondern eine Importnation, damit fehlen die Grundlagen für strategisches, marktwirtschaftliches Planen. Wer da als Kleinverlag auf die Idee kommt, endlos viel Zeug rauszukurbeln, den betreffenden Künstlern aber nicht mal Belegexemplare bietet, der importiert obendrein Verlagsgehabe aus den Staaten und vergrämt sich damit nicht nur die Künstler sondern auch die Kollegen.
Meiner Meinung nach kann das Ziel nur sein, mehr Leser zu finden und zwar mit Unterhaltung, die sowohl regional, beim arglosen Leser hier zu Hause ankommt als auch bei Lesern auf der ganzen Welt! Raus aus der Nische und hinein in den Mainstream, dorthin woher wir so viel Inspiration importiert haben. Und mit neuen Ideen natürlich!
Ob das funktioniert? Wird sich zeigen! In den nächsten 12 Jahren Buddelfisch!
Mit den besten Grüßen,
Sebastian
Thorsten
5. Juni 2016 @ 22:55
Bei so nebulösen Andeutungen überlege ich gerade händeringend ob ich wohl für irgendjemanden sein Belegexemplare vergessen habe. 🙂
Sebastian
6. Juni 2016 @ 10:21
Lieber Thorsten, danke, dass du meinen Beitrag gelesen hast. Schön, dass nebulöse Andeutungen noch so gut funktionieren. Nein, dich meinte ich ganz und gar nicht! 🙂 Ich finde es ja auch hervorragend, dass Kleinverlage ganz unterschiedlich sind, und das war durchaus keine Kritik an euch. Die Truppe, die gemeint ist, kennt mich wahrscheinlich gar nicht.
Thorsten
8. Juni 2016 @ 10:00
Puh…noch mal Glück gehabt. 😀
12 Jahre ist jedenfalls schon der Wahnsinn. Wir haben gerade mal 8. Bitte am Ball bleiben!
Von Comichaufen und Steinhaufen | nessi6688
15. Juni 2016 @ 15:33
[…] Für mich persönlich ziehe ich also (trotz wie immer zu viel ausgegebenem Geld) ein positives Fazit des Salons. Mehr über den Salon könnt ihr beim Lachwitz erfahren sowie auf den einschlägigen Portalen wie Comicgate und Splashcomics. Das Messefazit des Buddelfisch-Verlags findet ihr hier. […]