„Die Chroniken von Wormwood“ von Garth Ennis & Jacen Burrows
Band 1, deutsch bei Panini Comics, 2010.
Im Vorfeld war ich etwas skeptisch, weil Garth Ennis‘ neues Werk mir so überzogen auf Provokation gebürstet schien: Der Antichrist als Hauptfigur, ein schwarzer Jesus mit Gehirnschaden (Folge eines Polizeizusammenstoßes, nachdem er öffentlich seine Botschaft verkünden wollte) und ein australischer Papst, der den ganzen Tag Nonnen vögelt.
Garniert mit einer Menge Sex, Blut und Gedärm.
Aber nein, nicht nur dass es wieder verdammt komisch ist (etwa, wenn ein Selbstmordattentäter zwar wie versprochen im Paradies landet, sich dort aber um 72 Babies kümmern muss…während in der Hölle Hitler Scheiße von einem Riesenpenis lecken muss…einem beschnittenen Riesenpenis), es ist auch sonst eine gute, einfallsreiche und interessant erzählte Geschichte, die vor allem eine echte moralische Haltung vertritt, ja fast schon etwas predigerhaft für Toleranz und Kunstfreiheit wirbt…na gut, um dann in der nächsten Szene einen Killerkastraten im Auftrag des Vatikans das Gesicht unseres Helden in seine eiternde Schrittwunde drückt.
Der grundlegende Gag ist einfach, dass eine Generationskonfliktgeschichte erzählt wird. Weder Wormwood noch Jay (Jesus) wollen den Job ihres Vaters machen, sondern haben eigene Probleme…Wormwood etwa hat Beziehungsstress, da er seine Freundin mit Jeanne d’Arc betrogen hat (kein Scherz, Ennis denkt an mich!) und das wird tatsächlich ernst und seriös erzählt. Er mag der Antichrist sein, aber er ist tatsächlich auch ein netter, relativ normaler Typ, der mit moralischen Konflikten zu tun hat. Auch sonst gibt es viele hübsche Ideen, biblischen Personal zu vermenschlichen, etwa wenn die Hure Babylon sich im Alltag „Babs“ nennen lässt oder wir erfahren, dass Judas sich keines wegs aus Reue erhängte, sondern mit seinen 30 Silberlingen feierte und dann einen Unfall beim Masturbieren erlitt. Derb, dreckig und brutal, aber eben dennoch intelligent. Mann kann Ennis vielleicht vorwerfen, dass er übertrieben auf Genitalien und Anus fixiert ist und man manches hier schon von seinem „Preacher“ kennt, aber als wirklich störend empfand ich das nicht.
Ich habe keine Ahnung, ob es noch weiter geht (die Story ist nach dem ersten, bei Panini erschienenen Sammelband eigentlich so ziemlich abgeschlossen), aber ich hätte nichts dagegen.
…nur wieso zum Geier ist Wormwoods Sidekick ein sprechender Hase?!?
(Dirk M. Jürgens)